Umzüge sind kein Traum mehr

■ „Beruhigung“ auf dem Wohnungsbaumarkt erfreut die Möbelpacker und erschreckt das Baugewerbe im Norden

Erfreuliche Nachricht für MieterInnen, Anlaß zu sorgenvollen Pressekonferenzen des schleswig-holsteinischen Baugewerbeverbandes: Nach dem anhaltenden Boom im Wohnungsbau sichtet man im Norden jetzt einen „Einbruch der Nachfrage“. Bei einem Neubaukontingent von jährlich über 15.000 Wohnungen und einem ausstehenden Nachholbedarf von 45.000 Einheiten müsse man mit einem kurzfristig ausgeschöpften Bedarf rechnen, sagte der Vorsitzende des Baugewerbeverbandes Peter Stamer gestern in Kiel.

Sogar Umzüge scheinen nicht mehr im Bereich der absoluten Langfristplanung zu liegen: Wohnungsunternehmen in Schleswig-Holstein berichteten bereits über eine „einsetzende Fluktuation von MieterInnen“, was schlicht heißt, daß es endlich wieder freie Wohnungen gibt. Vor diesem Hintergrund erteilte der Verband dem von Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) geforderten sogenannten „Swatch-Haus“ eine Absage. Wohnungsunternehmen reagierten bereits verhaltener auf kostengünstigen Wohnungsbau, sagte Stamer. „Man befürchtet offensichtlich schon bald erste Leerstände in diesem Bereich“. Außerdem sei Schleswig-Holstein in der Bundesrepublik sowieso schon Vorreiter beim billigen Bauen gewesen. Rationalisierungen beispielsweise beim Bau von Einfamilienhäusern seien ausgereizt; Plattenwohnungsbau nach Vorbild der DDR oder kellerlose Häuser wie in Holland wolle niemand.

Der Verband beklagt trotz insgesamt guter Konjunktur einen hohen Sockel an Arbeitslosigkeit, der Ende Juni bei 3800 Beschäftigungslosen oder umgerechnet acht Prozent gelegen habe. Dies lasse nur den Schluß zu, daß sich offenbar viele Arbeitslose mit ihrer Situation eingerichtet hätten, betonte der stellvertretende Verbandsvorsitzende Peter Helmich.

Die Folgen seien fatal. Um den Bedarf an Facharbeitern zu decken, wichen Bauunternehmer zunehmend auf Subunternehmer aus Osteuropa oder EU-Nachbarstaaten aus. Angesichtgs dieser Lage seien Überlegungen von Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) diskussionswürdig, die Arbeitszeit weitgehend den Betrieben zu überlassen und ihre Ausgestaltung davon abhängig zu machen, wieviel Arbeit vorhanden sei, meinte Helmich. dpa