: Tempolimit für ganz Hamburg
■ Vahrenholt-Vorstoß: ganzjährige Geschwindigkeitsbegrenzung für alle Autobahnen / RaserInnen werden zur Kasse gebeten Von Marco Carini
„Placebo-Verordnungen“, so stellte Fritz Vahrenholt mit Blickrichtung Schleswig-Holstein klar, werde es „mit ihm nicht geben“. Gemeint war die brandneue Sommersmog-Verordnung der Kieler Landesregierung, die bei Ozon-Werten von über 210 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf allen Landstraßen und 90 km/h auf allen Autobahnen vorsieht.
Doch eine deratige Ozonbelastung gab es in Norddeutschland zuletzt 1990 für einen einzigen Tag. Statt des Ozon-Placebos verordnete Vahrenholt deshalb gestern allen Autobahn-RaserInnen eine bittere Pille: Ab September dieses Jahres wird es auf allen 81 Hamburger Autobahnkilometern ein ganzjähriges Tempolimit geben.
Bereits vergangene Woche, so Vahrenholt, hätte die Innen- in Kooperation mit der Umweltbehörde „die verbleibenden Lücken geschlossen“ und auf allen nicht limitierten Autobahnstrecken eine Tempobegrenzung festgelegt. Mehr als 120 Stundenkilometer darf nun nirgendwo auf Hamburgs Autobahnen gefahren werden.
So ist auf der A7 zwischen Sinstorf und Elbtunnel (bislang nur bei Nässe auf 100 km/h begrenzt) in Zukunft wetterunabhängig teils Tempo 100, teils Tempo 120 die Obergrenze. Und auf der A1, wo bislang auf fast dem gesamten Hamburger Streckenabschnitt gerast werden durfte, was der Motor hergibt, ist nun bei Tempo 100, streckenweise sogar schon bei Tempo 80 Schluß.
Nachdem auch Kanzlerkandidat Rudolf Scharping vergangene Woche von den SPD-UmweltministerInnen der Länder auf generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeschworen werden konnte, will Vahrenholt nun „Maßstäbe für die Bundesrepublik“ setzen. Statt Ozon-Schnellschüssen heißt die Devise nun „365-Tage-Tempolimit“. Die Herren Sozialdemokraten, so scheint es, kennen keine Schaltjahre.
Gegenüber dem Kieler Sommersmog-Limit hat die hanseatische Bremsvariante noch einen weiteren Vorteil: Wer in Schleswig-Holstein auch bei Ozon-Smog nicht vom Gas geht, dem drohen im Höchstfall ein paar kostenlose Belehrungen aus dem Streifenwagen. In Hamburg aber soll die Nichtbeachtung des Tempolimits mit saftigen Bußgeldern bestraft werden; ganz nach dem Motto: Einsicht ist gut, Kontrolle besser.
Nach Umsetzung des Senatsbeschlusses werden alle 3.900 Hamburger Straßenkilometer geschwindigkeitsbegrenzt sein. Davon rund 1750 Kilometer bei Tempo 30. Durch die Einführung von 700 Tempo-30-Zonen in Hamburg konnten nach Vahrenholt die Emissionen der Vorläufer von Ozon – etwa Kohlendioxide und Stickstoffe – in diesen Gebieten um rund 15 Prozent reduziert werden. Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Tempo 80 und Tempo 100 verminderten laut Vahrenholt den Schadstoffausstoß um rund zehn Prozent.
Weitergehende Maßnahmen, etwa ein City-Verbot für Cars ohne Katalysator, hält der Umweltsenator zwar für „von der Idee her richtig“ aber „schwer vermittelbar“. Vahrenholt: „Wer von Schleswig-Holstein nach Süden will, kommt an Hamburg kaum vorbei“. Die GAL hingegen will die Innenstadt für Dreckschleudern dichtmachen.
Ihr umweltpolitischer Sprecher Alexander Porschke bewertet den Tempolimit-Beschluß als „schlechten Witz“. Um die Ozonbelastung zu senken, seien Geschwindigkeitsbegrenzungen von Tempo 60 auf allen Autobahnen das Gebot der Stunde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen