: „Wie um ein paar Kisten Kaffee“
■ Luchterhand und KiWi streiten sich um Härtlings „Bozena“
Empört reagierte der Autor Peter Härtling auf die Entscheidung des Hamburger Landgerichts, die eine Auslieferung seines neuen Buchs „Bozena“ vorerst unmöglich macht: „Ich lerne, wie schmerzlich die Spanne zwischen Recht und Gerechtigkeit sein kann.“ Das Landgericht hatte zuvor die Einstweilige Verfügung bestätigt, die der Luchterhand Literaturverlag gegen den neuen Verleger seines ehemaligen Autors, den Kölner Kiepenheuer & Witsch Verlag (KiWi) erwirkt hatte. KiWi kündigte Berufung vorm Oberlandesgericht an.
Härtling hatte am 6. Januar bei Luchterhand gekündigt und am 31. März erneut, „weil der Autorenrat Luchterhands dem Inhaberwechsel nicht zugestimmt“ habe. Härtling wechselte zu KiWi. Luchterhand behauptet aber, die Rechte für „Bozena“ zu haben. Im November steht eine Feststellungsklage Härtlings vor dem Landgericht Hamburg zur Entscheidung an, mit der der Autor die Aufhebung seines Vertrages bestätigen lassen will. Ihre Entscheidung hatte die Richterin am Dienstag damit begründet, daß sie den Vertrag Härtlings mit Luchterhand weiterhin als wirksam betrachte.
„Seit mehr als zwanzig Jahren hatte ich mit Luchterhand zusammengearbeitet. Sogar, als es dem Verlag schlecht ging. Die Treue wurde mir zur Falle“, so Härtling. „Erst boten meine Verlegerinnen mich und mein Werk auf dem Markt feil. Jetzt beansprucht mich der neue Verlagsherr – so, als ginge es um ein paar Kisten Kaffee. Mit juristischen Finessen versucht er meine Existenz zu ruinieren, mich zum Schweigen zu bringen und meine Phantasie zu lähmen.“ Härtling betonte: „,Bozena' wird an die Öffentlichkeit kommen, nicht bei Luchterhand, sondern bei KiWi.“
Als „nicht ganz hübsche Aktion“ wertete hingegen von Boetticher das Vorgehen von KiWi. Bereits im Februar habe Reinhold Neven Du Mont für KiWi über die Verlagsrechte von Härtling und Christa Wolf mit den ehemaligen Luchterhand-Geschäftsführerinnen verhandelt, 1,1 Millionen Mark geboten, sein Angebot aber wieder zurückgezogen. Ohne Wissen der Geschäftsführerinnen habe er mit beiden Autoren über die Rechte an ihrem jeweils neuen Werk verhandelt, teilte Luchterhand mit. Dies sei ein schwerer Wettbewerbsverstoß gewesen, denn Luchterhand hatte sich zu einer neunbändigen Härtling-Gesamtausgabe verpflichtet. Im Gegenzug hatte sich Härtling laut Luchterhand verpflichtet, sein neues Werk anzubieten. Im Mai erfuhr Luchterhand, daß „Bozena“ bei KiWi erscheinen soll. Von Boetticher, seit Juli Luchterhand-Geschäftsführer, habe er eine „angemessene Vergütung“ für Buchbestand und Rechte gefordert und KiWis Angebot von 400.000 Mark für die Rechte am Werk beider Autoren als „völlig unangemessen“ abgelehnt. Die Einstweilige Verfügung richte sich gegen den Wettbewerbsverstoß von KiWi, nicht gegen Härtling, so von Boetticher. Luchterhand habe nach wie vor Interesse daran, das Buch zum Herbst herauszugeben. Wenn Härtling den Übergang der Rechte an KiWi wünsche, sei Luchterhand dazu bereit. Der Kölner Verlag sei „aufgefordert, Luchterhand ein angemessenes Angebot zu unterbreiten.“ KiWi beurteilte das Vorgehen von Luchterhand und die Gerichtsentscheidung als „Literaturblockade total“. Der Anwalt des Verlages betonte, daß die gebotenen 400.000 Mark eine „realistische Bewertung“ darstellten. Wie er sagte, hätten die beiden ehemaligen Luchterhand-Verlegerinnen „bereits im Herbst 1993 bedeutet, daß es nicht mehr weitergehe“ und von sich aus Kontakte zu KiWi aufgenommen.
lno
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