■ Press-Schlag
: Der nackte Affe

„L'enfer c'est les autres“ – die Hölle, das sind die anderen, schrieb der französische Philosoph Jean-Paul Sartre. Psychische Höllenqualen müssen alle zu Dicken, zu Dünnen, Kurz-, X- und O-Beinigen angesichts all der schönen anderen, die ihre Körper straff trimmen, leiden.

Die anderen leiden schwitzenderweise: Dazu verwenden sie Geräte der Hölle, welche die Muskeln wachsen lassen und anmutige Menschen erzeugen, die selbst die Nazi-Dokumentarfilmerin Riefenstahl, eine Anbeterin aller Teile, die vor allem am männlichen Körper anschwellen, zum Schwärmen gebracht hätten.

Aber zum Triumph des Willens über die schlaffe Muskulatur führen mehrere Wege, auch Gewichtsmanschetten. „Ankle-Wrist- Weights – Bein- und Armtrainer“ steht auf der polyglotten Verpackung neben einem Bild, das einen sehnigen Arm und ein kräftiges Bein zeigt, um Hand- und Fußgelenk jeweils eine sandgefüllte, 1,1 Kilogramm schwere Manschette.

Der Name des Herstellers bürgt für Kraftzuwachs: Rombo – eine lautmalerische Annäherung an Rambo, bürgerlich Sylvester Stallone, den dumpfen amerikanischen Leinwandhelden des Kalten Krieges. Der ist in einem faschistoiden Hollywood-Machwerk als weißer amerikanischer Übermensch mit muskelstrotzendem nackten Oberkörper, Pfeil und Bogen in den vietnamesischen Dschungel gezogen und hat, zehn Jahre nach dem Fall von Saigon, den schlitzäugigen Kommunisten gezeigt, daß ein geb(u)ildeter Körper gebildeten Köpfen überlegen ist.

Diesem Rambo können jetzt – heil Rombo! – die Menschen durch ein Manschetten-Training mit 13 Übungen nacheifern, ganz nach dem landläufigen Schönheitsideal, das nur knackige, muskulöse und gebräunte Körper kennt, aber keine Falte. So weit wie Rambo müssen die Rombo- Gymnastiker nicht fahren: Der muskelfordernde Krieg ist doch allgegenwärtig. Nach dem Aufstehen beginnt die Guerilla um einen Platz in der Toilette. Auch im Büroclinch sind mächtige Muskeln gefragt, will man wörtlich nehmen, was bisher sprichwörtlich blieb: So erfordern schlagende Argumente einen gut entwickelten Trizeps, der Hinauswurf eines Mitarbeiters einen harten Bizeps.

Doch was geschieht, wenn dank Rombo sich jede graue Büromaus zum Rambo gemausert hat und eine Art Körper-Patt entstanden ist? Dann beginnt mit den Manschetten der Muskelkampf um die Position des Ober- Rambo. Auch den gibt es seit langem auf der Kinoleinwand: King-Kong heißt er, der Affenkönig. Mit diesem Schönheitsideal kehrt der Mensch zu seinen Primaten- Ursprüngen zurück oder macht physisch noch deutlicher, was er gemäß dem Verhaltensforscher Desmond Morris ohnehin bereits ist: „Der nackte Affe“. Götz Schultheiß