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„Niemand plant eine Revolte!“

■ Immer lustig und vergnügt bis ....? SPD-Chef Kuhbier über die Zukunft des rotgrauen Bündnisses / Schulgeld und Studiengebühren gegen Kassenlöcher

taz: In den ersten 100 Tagen als SPD-Parteichef, das haben Sie vor Ihrer Wahl in der taz angekündigt, wollten Sie die Arbeit des Landesvorstands organisieren und die Arbeitsfelder zwischen Partei sowie Fraktion und Senat abgrenzen. Die Frist ist seit einigen Tagen um. Wir stellen fest: Volle Planerfüllung bei Punkt zwei. Der Senat macht schwarzgraue Politik, die Partei bereitet rotgrün vor.

Kuhbier:Das ist ein Gerücht. Die Partei steht hinter der derzeitigen Koalition.

Ihre Parteirechte um Fraktionschef Elste schätzt das anders ein, die geht doch schon in die Schützengräben.

Wenn das so sein sollte, ist das völlig überflüssig. In der Partei plant niemand eine Revolte oder einen Umsturz.

Jedenfalls nicht vor dem 16. Oktober. Nach einem knackigen 35-Prozent-Ergebnis für die Hamburger SPD bei den Bundestagswahlen könnte sich das flugs ändern.

Das wird nicht passieren.

Das müssen Sie jetzt wohl sagen.

(lacht)Ich bin davon überzeugt, daß wir gegenüber dem Europawahlergebnis erheblich zulegen werden. Aber selbst wenn es anders wäre: Eine Politik nach dem Schweinezyklus – uns rutschen die Wähler weg, also machen wir ab sofort das Gegenteil – wäre verkehrt. Ein Bruch des Kooperationsvertrags wäre für die Partei mit riesigen Konflikten verbunden.

Ganz schön frustig, gell?

Nur, wenn Ihre apokalyptischen Prognosen zuträfen.

Und wenn Sie sich die schwarzgraue Politik des amtierenden Senats ...

... nicht schwarzgrau, rotgrau!

Sieht aber aus wie schwarzgrau: Transrapid, keine Gewerbesteuererhöhung, statt dessen Leistungseinschränkungen für alle Bürger, Hafenausbau, Verkauf öffentlicher Unternehmen. Das muß einem Sozialdemokraten doch kalte Schauer über den Rücken jagen.

Der Bürgermeister hat zugesagt, daß es bis 1995 keine Gewerbesteuererhöhung gibt. An diese Aussage muß sich die SPD halten. Der Hafenausbau und die Elbvertiefung sind Bestandteile unseres Wahlprogramms. Das sind Dinge, die man nicht einfach über Bord werfen kann. Auch wenn sie in der SPD keine hundertprozentige Zustimmung haben. Und: Leistungseinschnitte und Vermögensverkäufe zur Haushaltskonsolidierung hätte auch jede andere Koalition vornehmen müssen.

Viel rot sehen wir da dennoch nicht. Vielleicht klappt's ja beim Arbeitsprogramm des Landesvorstands?

Wir haben uns drei Schwerpunkte gesetzt. Erstens wollen wir uns auf die Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten machen, mit denen man die strukturelle Arbeitslosigkeit bekämpfen kann ...

Sehr lobenswert.

Zweitens wollen wir uns stärker um sozial belastete Stadtteile kümmern, und zwar direkt um die Menschen dort, die zunehmend ausgegrenzt werden.

Die SPD als Hamburgs Kümmerpartei, Beispiel PDS in Ostdeutschland?

Die PDS nehmen wir uns nicht als Beispiel. Meine Vorstellung ist, daß die SPD stärker in der konkreten Sozialarbeit tätig wird. In Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Initiativen, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Bürgervereinen. Das kann Betreuung von arbeitslosen Jugendlichen sein, das kann Drogenhilfe sein oder Seniorenarbeit.

Das hört sich stark nach Kümmerpartei an.

Das hört sich danach an, daß die SPD wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren sollte. Als die soziale Infrastruktur des Staats noch sehr weit zurück war und die SPD versucht hat, Hilfe anzubieten. Damals haben wir uns stark auf unsere Mitglieder konzentriert. Heute müssen wir den Menschen helfen, die ausgegrenzt sind.

Und drittens ...

... will der Landesvorstand zur Konsolidierung des Hamburger Haushalts beitragen.

Das klingt doch noch nach eigenen Vorschlägen.

Wir müssen auch zu Einnahmeverbesserungen kommen.

Zum Beispiel durch?

Staatliche Dienstleistungen, die es bisher unentgeltlich gibt, dürfen künftig durchaus etwas kosten. Schule zum Beispiel. Und Hochschule.

Schulgeld und Studiengebühren für alle? Das wird die Wähler schwer begeistern.

Nicht für alle. Aber es ist doch nicht einzusehen, daß sozial Schwächere für einen Kindergartenplatz bezahlen müssen und alles, was danach kommt, wie Schule und Uni, bekommen auch Gutverdienende zum Nulltarif. Bevor ich mit Bildungsabbau anfange, beginne ich doch lieber damit, bei denen, die es sich leisten können, zu kassieren. Das gilt auch für den kulturellen Bereich und für die Nahverkehrsabgabe.

Wo wir gerade beim Wünschen sind: Lieber Henning Voscherau, für die nächsten 100 Tage als SPD-Vorsitzender wünsche ich mir ...?

... daß die Transrapid-Entscheidung keinesfalls mit Unterstützung Hamburgs vor der Bundestagswahl fällt.

Und Markus Wegner empfehle ich ...

... schwierige Frage ... Markus Wegner empfehle ich, das Abenteuer Statt Partei auf der Bundesebene abzubrechen und sich auf Hamburg zu konzentrieren.

Interview: Uli Exner

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