piwik no script img

Ein Plätzchen für alle Fälle

■ Auf die Plätze (5): Ein Admiral schenkt Heimat

Da komme ich als Nichtbremer hier an und wollte ja eigentlich Freunde an der Hamburger Straße übers Wochenende besuchen. Doch, die Freunde haben ihren Gast schnöde vergessen. Der gesamte Laden ist ausgeflogen und ich stehe hier mit meinem Rucksack dumm in der Gegend rum.

Aber was solls. Jedenfalls lasse ich mir das Wochenende keinesfalls von solchen nebensächlichen Widrigkeiten verderben. Gesagt, getan. Also sondiere ich zunächst mal die Lage. Und das von einer Kneipe aus. Die trägt den edlen Namen von Admiral Brommy, der eigentlich Karl Rudolf Bromme hieß. Er war jedoch so leutselig, daß ihn eben alle Brommy nannten. Der Platz draußen trägt gleichfalls seinen Namen.

Die Kneipe gefällt mir gut. Und nach dem einen oder anderen Glas Becks könnte es durchaus auch draußen gemütlich bleiben: Übernachtet wird im Freien, wozu haben wir schließlich Sommer?

Mittlerweile ist es schon etwas später geworden. „Mein“ Platz und ich haben uns angefreundet, nachdem wir uns zunächst längere Zeit aus sicherer Distanz begutachtet haben. Im Notfall sind ja die Freunde und Helfer vom 3. Revier um die Ecke. Irgendwann ziehe ich dann um und mache es mir auf einer Holzbank gemütlich. Ein paar Treber machen ein paar Meter weiter ebenfalls Station – bepackt mit reichlich Dosenbier .

Mir fällt die Umzäunung mit den Schwenktoren auf. Die Treber gehören zu der Sorte Menschen, die Fragen beantworten, bevor sie gestellt werden, und klären mich über den Zaun auf. Früher sei hier das größte Hundeklo Bremens gewesen, doch nun sei der Park wieder fest in der Hand bremischer Zwei-beiner. Sie wissen dazu noch eine Menge leckerer Geschichten und haben keine Scheu mir damit mein Abendessen zu würzen, das ich gerade verzehre. Ein paar Bierlängen später habe ich wieder meine Ruhe.

Stunden später reißt mich ein metallisches „klong“, begleitet von lautem Geschrei, aus dem Schlaf. Nein, nach einem Springmesser klang das zum Glück nicht. Trainieren hier etwa irgendwelche manischen Kugelstoßer, oder was? Langsam erwachen in mir einige graue Zellen; ich erinnere mich wieder, wo ich bin. Die lautstarken Ruhestörer entpuppen sich als eine Gruppe jugendlicher Boule-Spieler, die anscheinend nichts besseres zu tun haben, als an einem friedlichen Samstag morgen mit diesen Metallkugeln um sich zu werfen. Ich bleibe auf meiner Bank liegen und beobachte das Treiben. Es gibt anscheinend auch noch andere Gestalten, die zu so früher Morgenstunde – es ist 8 Uhr – aus dem Bett gefallen sind. Wie zum Beispiel die türkische Mammi, deren liebe Kleine schon furchtbar lebendig ist. Ein paar Morgenschwärmer auf einer anderen Bank beginnen den Tag damit, womit sie den letzten beendet haben, und setzen ein Fläschlein an die Lippen. Sie haben den Weg ins Bett wohl gar nicht erst gefunden.

Dann wird es um die Ecke noch einmal spannend. Eine etwas mitgenommen aussehende Gestalt wird aus seinem Nachtquartier 3. Revier verjagt. Oder besser gesagt: darf es endlich verlassen. Den Portier mit der grün- weißen Livree bedenkt er mit lauten Flüchen – er hatte ihn soeben etwas unsanft die Treppe hinunterbegleitet. Aus sicherer Distanz tut er dann noch einmal – unüberhörbar – seine Meinung über die Exekutive dieses Staates kund.

Genug gegafft. So langsam stehe ich auf, packe meine Sachen und gehe in eines der Cafes, um zu frühstücken. Während ich auf meinen Kaffee warte und mir die Sonne ins Gesicht lachen lasse, überlege ich mir, wozu andere Leute eigentlich Geld für's Kino ausgeben.

Foto u. Text: André Reß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen