: Kraftwerk in Emden wird zur Dreckschleuder
■ Umrüstung von Gas- auf Ölfeuerung: Wie ökologischer Fortschritt konsequent an den Gesetzen scheitert
Schon länger beschäftigen Öko- AktivistInnen in Emden die Pläne, einen weiteren Kraftwerksblock von „sauberer“ Erdgasfeuerung so umzurüsten, daß er auch mit Heizöl betrieben werden kann. Die zuständige Bezirksregierung teilte auf Anfrage der taz mit, daß das erforderliche Genehmigungsverfahren kurz vor dem Abschluß steht. Ein positiver Bescheid sei in den nächsten Wochen zu erwarten, so Gewerbedirektor Ewald Schröder. Die Emdener Anlage der Preussen Elektra-AG (Preag) ist ein Reservekraftwerk, das nur bei erhöhtem Strombedarf arbeitet. Im letzten Jahr erzeugte es an zirka 100 Tagen Strom.
Als Grund für die Umrüstung nannte Sprecherin Petra Uhlmann größere Flexibilität: da der ständige Gasbezug nicht gesichert sei, könne in Zukunft alternativ leichtes Heizöl verfeuert werden. Mögliche Bedenken gegen den Umbau sind für die Betreiberin Preag in wenigen Worten abgehandelt. Die Maßnahme sei rein energiewirtschaftlich begründet, so die Sprecherin. Sie könne die Aufregung um dieses umweltfreundliche Kraftwerk nicht verstehen. „Schließlich werden die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten- alles andere ist für mich Polemik.“
Die UmweltschützerInnen hatten beim Anhörungstermin im Juni ihrem Protest durch 150 Einwendungen Nachdruck verliehen. Sie haben vor allem ökologische und gesundheitliche Bedenken gegen die Umrüstung.
Fakt ist laut TÜV-Gutachten eine Zunahme der Emissionen. Dazu gehört zum Beispiel Schwefeldioxid, das das Risiko auf Atemwegserkrankungen erhöht. Außerdem stehen das für die Ozonbelastung verantwortliche Stickstoffdioxid sowie das Treibhausgas Kohlendioxid auf der Liste. Die Vorwürfe der UmweltschützerInnen richten sich aber ebenso gegen die zuständige Bezirksregierung.
„Ob ökologischer Rückschritt oder nicht - wir müssen diesem Antrag zustimmen, solange die zulässigen Grenzwerte eingehalten werden“, so Gewerbedirektor Schröder. Für das Treibhausgas Kohlendioxid gibt es ohnehin keine Grenzwerte. Diese Begründung erscheint Ralf Lottmann vom Natur- und Umweltzentrum aber zu simpel. Es ist seiner Meinung nach unbegreiflich, daß die um eine Energiewende bemühte Landesregierung keinen politischen Druck auf die Preag ausübt. Das Argument der Versorgungssicherheit mit Gas akzeptiert er ebenfalls nicht, da sich Emden aufgrund der neuen „Euro-Pipeline“ vermutlich im nächsten Jahr zur Gasdrehscheibe Europas entwickeln werde.
Besonders der Umgang der Behörde mit der Zunahme von Schwefeldioxid löst Befremden aus. Die Zahl der Atemwegserkrankungen bei Kindern in Emden liegt ohnehin um 20 bis 30 % über den Frankfurter Werten. Der Gesundheitsdezernent findet diese besondere Sensibilität aber keineswegs besorgniserregend. Schließlich lägen diese Zahlen in Küstenregionen prinzipiell höher. Dazu die Umweltschützer: „Nicht etwa, daß diese Erkenntnis eine Verminderung der Belastung nach sich ziehen würde - im Gegenteil. Also weiter getreu dem Motto: Soll die Klimazerstörung doch weiter fortschreiten, solange sie sich dabei an die Gesetze hält.“ André Reß
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