: Sauftouren auf den Wasserstraßen
Mehr Trunkenheitsfälle auf Berliner und Brandenburger Gewässern / Berlin und Brandenburg wollen in Bonn Druck machen, daß zeitweilige Fahrverbote wieder eingeführt werden ■ Von Severin Weiland
Wenn es dunkel wird, lassen die Feierabendkapitäne alle Hemmungen über Bord fallen. Seitdem Anfang Juli das Nachtfahrverbot von 22 bis 5 Uhr früh weggefallen ist, nutzen immer mehr Motorbootbesitzer die neue Freiheit zu einer nächtlichen Spritz- und Sauftour. „Wir müssen leider feststellen, daß an manchen Orten regelrechte Kneipenbesuche von einem Ufer zum anderen stattfinden“, erklärt Herbert Hölscher, zuständig für Einsatz und Ermittlungen bei der Brandenburger Wasserschutzpolizei. Bei den Kollegen der Berliner Behörde haben sich in letzter Zeit vermehrt Anwohner über Lärmbelästigungen während der Nachtzeit beschwert. Und die Fischerei, so erklärt der für schiffahrtsrechtliche Angelegenheiten zuständige Sachbearbeiter Manfred Lux, „beklagt immer häufiger die Beschädigung ihrer Stellnetze während der Dunkelheit“.
Berlin und Brandenburg möchten das freizügige Treiben auf den Gewässern nicht länger hinnehmen. In Bonn wollen die Umweltverwaltungen beider Länder Druck machen, um zumindest das bis zum 1. Juli geltende dreistündige Mittagsfahrverbot an Wochenenden und das tägliche Nachtfahrverbot wiedereinzuführen. Die bundesrechtliche Verordnung war jüngst wegen eines Formfehlers vom Berliner Schiffahrtsobergericht aufgehoben worden.
Ob zur Nacht- oder Tageszeit – allgemein zugenommen hat in diesem heißen Sommer die Trinkerei auf den Gewässern. Auf dem Hochsitz einer Motorjacht, an der Pinne eines Seglers oder im Kanu – überall wird kräftig einer zur Brust genommen, so übereinstimmend die Feststellung der Berliner und Brandenburger Wasserschutzpolizei. „Es wäre nicht richtig, das Problem nur auf die Motorbooteigner zu beschränken“, warnt der Sprecher der Wasserschutzpolizeidirektion in Potsdam, Peter Salender, vor allzu schnellen Verallgemeinerungen.
Grundsätzlich gilt die Regel: Wer mit 0,8 Promille im Blut erwischt wird, muß mit einem Bußgeld rechnen, ab 1,3 Promille erfolgt eine Strafanzeige. Doch während bei Autofahrern der Führerschein an Ort und Stelle eingezogen wird, geht das Gesetz mit alkoholisierten Kapitänen zur See noch immer milde um. So darf die Wasserschutzpolizei lediglich die Daten aufnehmen und Anzeige erstatten. Selbst nach einer Blutentnahme, die an Land durchgeführt wird, erhält der Sünder sein Papier wieder zurück.
Und im Falle einer Verurteilung durch das Schiffahrtsgericht ist die Fahrerlaubnis noch lange nicht verloren. Erst die für Berlin und Brandenburg zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mitte in Hannover ist berechtigt, nach vorhergehender Prüfung den Führerschein einzuziehen. Ein kompliziertes und entsprechend langwieriges Verfahren, das nach Ansicht mancher Wasserschutzpolizisten viel zuwenig Abschreckung bietet.
Bislang ist es in diesem Jahr auf den rund 30.000 Kilometer Brandenburger Gewässern, von denen die Schiffe der Wasserschutzpolizei nur 2.000 abfahren können, zu 38 Sportbootunfällen gekommen, davon allein 20 im Juli. Die Bilanz: zwei Tote und ein Verletzter. In Berlin verzeichnete man bis Ende Juni zwanzig Motorbootunfälle, an zwei weiteren waren sowohl Freizeit- als auch Gewerbeschiffer beteiligt.
Drastisch angestiegen ist im Nachbarland Brandenburg die Zahl der Umweltdelikte. Wurden 1993 noch 89 Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige gebracht, waren es im ersten Halbjahr bereits 313. Dies ist nach Erkenntnissen der Wasserschutzpolizei nicht zuletzt auf die bessere Kenntnis der Rechtslage durch die Beamten zurückzuführen.
Dennoch: Unter den Sportbootbesitzern scheinen immer rauhere Sitten einzuziehen. Allein bei den Ordnungswidrigkeiten verzeichnete Brandenburg im ersten Halbjahr eine Zunahme um 38 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum von 1993. Das Hauptproblem sind nach wie vor die Raser: In den seltensten Fällen halten sich die Motorbootbesitzer an die zugelassene Höchstgeschwindigkeit, die in der Regel zwischen 9 und 12 Kilometern pro Stunde und nur auf wenigen Gewässern in nicht ufernahen Bereichen bei 25 km/h liegt. In Berlin wurden in der Vergangenheit sogar Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 70 km/h gemessen.
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