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Kontrollierte Freiheitsstrafe -betr.: "Hardraht contra Rasenmäherprinzip", taz vom 5.8.94

Betr.: „Hardraht contra Rasenmäherprinzip“, 5.8.94

Justizsenator Hardraht kritisierte das Rasenmäherprinzip bei den Einsparungsvorgaben des Senats und forderte politische Prioritäten. Sollte nach Jahrzehnten der Ignoranz wirklich ein Justizsenator die Initiative ergreifen, mit dem Ziel, nur noch diejenigen ins Gefängnis zu stecken, für die das Gesetz und die Gerichte Freiheitsstrafen vorgesehen haben, und jene draußen zu lassen, für die ambulante Maßnahmen ausreichend und angemessen sind?

Oder haben der Justizsenator oder die Beschäftigten des Strafvollzuges Angst, die Hälfte der Gefangenen zu verlieren? In einer Untersuchung in Schleswig-Holstein wurde jüngst festgestellt, daß jeder dritte Gefangene eine Ersatzfreiheitsstrafe antritt, weil er seine Geldstrafe nicht gezahlt hat und jeder sechste Gefangene eine widerrufene Freiheitsstrafe antritt, allein weil er Auflagen nicht erfüllt hat, die auch meistens in Zahlungsverpflichtungen bestehen: Geldbußen, Schadenswiedergutmachung, Unterhaltspflichten usw. Das dürfte in Hamburg ebenso sein.

Oder sieht man weiter ohnmächtig zu, wie die gesetzlich definierte Unfähigkeit der Justiz zur Vollstreckung von Zahlungspflichten letztlich dazu führt, daß alle in den Knast kommen, die dort weder vom Gesetz noch vom Gericht hinbeordert wurden? Die Sparquote kann dadurch locker erfüllt werden: Allein für die 2.500 Verurteilten, die jährlich in Hamburg Ersatzfreiheitsstrafe antreten und etwa 20 Tage drin bleiben, ergeben sich 7,5 Mio. DM Haftkosten (bei 150 DM pro Tag). Hinzu kommen die etwa 1.000 Verurteilten mit widerrufenen Freiheitsstrafen.

Dietmar Hennig

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