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Palast verliert den Protz

„Palazzo Prozzo“ wird leergeräumt / Großes Interesse an asbestfreien Tellern, Tassen und Gläsern mit dem Aufdruck „PdR“  ■ Von Barbara Bollwahn

Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht, so ein Schlagertext. Aber auch die ungebrochenen Liebesbeweise vieler Ostberliner für ihren „Palazzo Prozzo“, den sie seit seiner Schließung vor vier Jahren des öfteren „sanft belagert“ haben, kann letztlich nicht verhindern, daß der Marmor aus „ihrem“ geliebten Haus verkauft wird. Über 300 Marmor- und Granitplatten mit einem Schätzgewicht von 15.000 Kilogramm kommen neben Tausenden von Gläsern, Sektkelchen, Tellern, Tassen, Dessertgabeln und Abertausenden Einzelteilen von Porzellan- und Keramikgeschirren mit realsozialistischen Modenamen wie „Rotband“, „Andante“ und „Goldband“ unter den Hammer. Alles asbestfreie Einrichtungsgegenstände der 1976 eingeweihten „Visitenkarte der DDR“, in der die oberen und unteren Zehntausend bedient wurden.

Auch für Großküchengeräte, deren Namen an Zeiten erinnern, in denen die Ernährung noch ziemlich einseitig war, mechanische Türschließer, Drehstrom-Trockentransformatoren, Töpfe ohne Deckel und Stahlschränke ohne Schlüssel werden Meistbietende gesucht. Einige der Suppen-, Mocca- und Kaffeetassen, Unterteller und Suppenschüsseln sind zwar beschädigt, aber den Wert des realsozialistischen Nachlasses machen nicht die abgebrochenen Henkel, sondern der Aufdruck „PdR“ aus.

Bis heute mittag 13 Uhr können Interessenten ihre schriftlichen Gebote machen. Vorige Woche hatten sie die Gelegenheit, das gebrauchte, teilweise unvollständige oder beschädigte Geschirr, eine Personen-Rufanlage mit 100 Empfängern, Sperrholz-Transportkisten und Elektro-Seitenstapler, die älter als der Palast selber sind, zu besichtigen. Die bundeseigene Verwertungsgesellschaft Vebeg, die im Auftrag der Oberfinanzdirektion (OFD) den Verkauf übernommen hat, hatte zur Besichtigung in ein Lager in Spandau eingeladen. Die Resonanz war groß, freut sich Volkmar Kunert, Leiter des Berlin-Büros von Vebeg, das ausschließlich im Auftrag des Bundes arbeitet. Da die im Hauptsitz in Frankfurt eingegangenen schriftlichen Angebote bis 13 Uhr unter Verschluß gehalten werden, konnte er vorab noch nicht sagen, wie hoch die Einnahmen ausfallen werden.

Kunert kennt sich aus mit Ausverkäufen: Sein Arbeitgeber verscherbelt ausrangierte Sachen der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes, der OFD und der Westalliierten. Im Jahr macht Vebeg, die vor etwa vierzig Jahren gegründet wurde, 130 Millionen Mark Umsatz, von dem ihr neun Prozent Gewinn zustehen.

Der Renner unter den Verkaufsposten ist nach Kunerts Einschätzung das Geschirr, für das sich „seriöse Leute“ interessieren, die wissen, was es wert ist. „Die Trödlertruppen vom Brandenburger Tor gehen leer aus“, ist er sich sicher. Einrichtungsgegenstände von Großküchen dagegen seien weniger gewinnbringend, höchstens als Ersatzteilspender. Was dem marmorlosen PdR auf jeden Fall bleibt, ist die Liebe „seiner“ Ostberliner.

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