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■ Das PortraitAbd-al-Asis Rantisi

Wenn er gerade nicht in israelischen Gefängnissen oder als Deportierter im Südlibanon sitzt, praktiziert Dr. Abd-al-Asis Rantisi als Kinderarzt in Khan Junis im Gaza-Streifen. Doch die israelischen Behörden lassen dem 47jährigen Palästinenser wenig Gelegenheit dazu. Am Dienstag verfrachteten Militärs den Familienvater gefesselt aus dem Gefängnis von Beersheba in die israelisch kontrollierte Zone im nördlichen Gaza-Streifen. Dort soll sich der Mitbegründer der Hamas-Bewegung vor dem Militärrichter und Oberst der Reserve Mosche Matalon verantworten. Rantisi wird vorgeworfen, Hamas-Mitglied zu sein, Jugendliche für die Bewegung geworben und ein Komitee gegründet zu haben, das Nachwuchs für die Hamas-Führung suchen sollte.

Hamas-Führer Foto: Reuter

Rantisi entstammt einer Flüchtlingsfamilie aus Jibne, einem heute nicht mehr existierenden Dorf bei Tel Aviv. Wegen seiner Beteiligung an der Hamas-Gründung wurde er bereits 1987 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Verhaftung des Hamas- Führers Scheich Ahmad Jassin galt Rantisi als die zentrale Persönlichkeit der Organisation in den besetzten Gebieten. International bekannt wurde er im Dezember 1992. Damals deportierten israelische Militärs über 400 Palästinenser nach Mardsch as-Suhur im südlichen Libanon. Die Abgeschobenen campierten fast ein Jahr in Zelten. Rantisi profilierte sich als Sprecher, der aus den schneebedeckten Bergen via Satellit „gesegnete Weihnachten“ wünschte.

Sofort nach seiner Rückkehr im Dezember 1993 wurde Rantisi in israelische Administrativhaft genommen. Vor Gericht erklärte er jetzt, aus politischen Gründen inhaftiert und angeklagt zu sein. Diese lägen in seiner Ablehnung des Gaza-Jericho-Abkommens. Rantisi kritisiert die palästinensische Teilautonomie, die „sich eine schwache PLO von einem starken Besatzer diktieren ließ“. Trotz seiner Gegnerschaft zu dem Abkommen zeigt er aber auch deutlich pragmatische Tendenzen. Vor seiner Rückkehr aus dem Libanon äußerte er den Wunsch, mit PLO-Chef Arafat ins Gespräch zu kommen.

Rantisis Bruder Muhammad stellte zu Prozeßbeginn bedauernd fest, daß die palästinensische Selbstverwaltungsbehörde kein Interesse an seinem Schicksal zeige. Der Prozeß wurde für vier Wochen vertagt, um den Militärs zu ermöglichen, Zeugen aus dem Gaza-Streifen vorzuführen, die zum Verhandlungsbeginn nicht erschienen waren. Amos Wollin

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