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Marsch und Tusch – der Kanzler kommt

■ Wie Bundeskanzler Helmut Kohl in Frankfurt/Oder auf Stimmenfang ging

Frankfurt/Oder (taz) – Wenn sie ihn im Fernsehen sieht, dann strahlt er irgendwie so eine Kühle ab. „Dabei muß er doch was an sich haben.“ Um herauszufinden, was den Mann so populär macht, ist sie mit ihrer Nichte auf den Rathausplatz von Frankfurt/Oder gekommen. Schon stehen sie hinter der Reihe der spanischen Reiter. Stramme CDU-Wählerinnen sind sie nicht, sie wollen „bloß mal gucken“, wie Helmut Kohl sich macht.

Der hat zwei Gitterspaliere um den Platz seines Auftritts ziehen lassen. Eine Sperre trennt Podium und Publikum, dahinter, in eierwurfsicherem Abstand, brusthohe engmaschige Metallgitter. Drinnen, im inneren Ring, werden Damen im wadenlangen Plisseerock von blassen Herren in cremefarbener Windjacke und hellen Plastesommerschuhen über den Platz geführt. Hier ist die Generation der „Wir um die 50“ unter sich.

Rote Fahnen, rote Socken, Transparente und gut 1.500 Menschen müssen draußen bleiben, aussortiert von des Kanzlers Sicherungstruppe. Der Platz hinter dem Gitter gehört vor allem den Jungen, den 15jährigen. Fähnchenschwingende PDS-Mädels werfen scheue Blicke auf die Hausbesetzer, die durch die Sehschlitze der Vermummung funkeln. Ein paar Alkis sind auch da. Sie alle halten sich gemeinsam bei Laune: „Hau ab!“ skandieren sie, „Hau ab!“ Dabei ist er noch gar nicht da.

Helmut Kohls Auftritte laufen streng nach Plan. Fünf vor acht spielt die Kapelle sehr laut und sehr schräg das Lied vom Märkischen Sand, die Hymne der Brandenburger. Ordnungshüter zerren kleine Kinder vom Boden, schnell sucht noch einmal einer von ihnen das Rednerpult nach Bomben ab. Nichts gefunden. Der Kanzler kann kommen. Blitzlichter leuchten seinen Weg aus, begleitet von Hoch-Hoch-Rufen. Die Menge klatscht, der Bundeskanzler schüttelt Hände. Die Kapelle schwenkt auf Marsch. Rumta-ta, der Kanzler ist da. Sommerfrisch und leicht gebräunt steht er vor Tante und Nichte. „Guten Tag, Herr Kohl“, lächeln sie schüchtern. „Hallo“, lächelt der freundlich zurück und hält den von Psychologen geratenen Mindestabstand von 1,50 Meter. Der Händedruck bringt das Eis zum Schmelzen. „Och, wir haben noch nicht einmal Blumen dabei“, bedauern jetzt Nichte und Tante.

Der nette Kohl kann aber auch anders. „Wissen Sie“, ruft er denen hinter dem zweiten Gitter zu, „die Mikros sind in Ordnung. Die Lautsprecher auch. Und wenn es noch lauter wird, dann tun wir noch ein bißchen Saft drauf.“ Lächelt und setzt zur Rede an.

Er gibt Fehler zu. Zu langsam sei vieles in den letzten vier Jahren gegangen. Ja, die Gewerkschafter mit dem Transparent hätten recht. Bei Eko Stahl muß es mehr Arbeitsplätze geben. Nein, er schmeichelt niemandem. Kohl ist in pädagogischer Absicht gekommen. Erklärt, daß er sich um alles kümmert, seine Berater seien gerade erst bei Eko Stahl gewesen. Sie haben sich auch mit Rentnern unterhalten. Kanzler überall.

Kübelweise kippt er Häme über die Demonstranten. Kommunisten seien nichts anderes als rotlackierte Faschisten. Doch die, die draußen bleiben mußten, zeigten Ausdauer. Sie pfeifen sich noch die Lunge aus dem Leib, als Kohl schon längst weg ist. roga

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