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War der Sprengstoff als Tauschware gedacht?

■ Hintergründe um Fund von 350 Gramm Sprengstoff in der Strafanstalt Tegel noch unklar / Sprengstoff-Fund wurde möglicherweise von Häftlingen selbst inszeniert

Der Sprengstoff-Fund in der Strafanstalt Tegel am vergangenen Freitag wird von den Gefangenen selbst eher gelangweilt zur Kenntnis genommen. „Das Ding ist selbstinszeniert“, erzählt B., ein Langstrafer, der die ganze Aufregung um den Sprengstoff gar nicht verstehen kann. „Das Zeug haben ein paar Jungs selbst versteckt, um dann Bescheid zu geben, in der Hoffnung, dafür 'ne vorzeitige Entlassung rauszuschinden. Mehr ist da nicht. Die einzige, die was davon hat, ist die Sicherheitsabteilung. Die können jetzt die Sicherheitsschraube wieder anziehen!“

Als am Donnerstag nachmittag in der Tegeler Anstaltsleitung ein anonymer Hinweis einging, daß auf dem Gelände der Anstaltsgärtnerei Sprengstoff vergraben sei, brodelten unter den Gefangenen zunächst die Phantasie und die Gerüchteküche. Es war nach Schilderung von Gefangenen von einer Menge Sprengstoff die Rede, die ausgereicht hätte, ganze Teile der Anstalt in die Luft zu jagen.

Beamte der Sicherheitsabteilung der JVA Tegel hatten bei den daraufhin angeordneten Grabungen in den Beeten der Gärtnerei zunächst ein Glas mit 150 Gramm des vorwiegend militärisch genutzten Sprengstoffes TNT (Trinitrotoluol) gefunden, dessen Sprengkraft etwa dreimal größer ist als die von Dynamit.

Daraufhin wurde die Suche durch Polizeikräfte unter der Leitung des Landeskriminalamtes fortgesetzt. In den Morgenstunden des Freitags fanden die Beamten dann einen weiteren Glasbehälter mit 200 Gramm TNT sowie drei Zündern. Nach Angaben der Polizeitechniker handelte es sich um einen elektrischen und zwei Säurebrand-Zünder.

Nach Auskunft der Justizpressestelle hätte der aufgefundene Sprengstoff bei sachgerechter Anwendung ausgereicht, „erheblichen Sachschaden an Gebäudeteilen und gegebenenfalls auch Personenschaden“ herbeizuführen.

Sprengstoffexperten der Polizei hingegen gehen davon aus, daß das aufgefundene TNT nicht für einen Ausbruch ausgereicht hätte. Ein Beamter: „Mit 350 Gramm kann kaum eine Stahltür wie die in Tegel aus den Angeln gerissen werden. Auch für ein entsprechend großes Fluchtloch in der Gefängnismauer wäre die Menge nicht ausreichend gewesen.“

Und so weist alles darauf hin, daß es sich bei dem Sprengstoff eher um den Gegenwert eines geplanten Tauschhandels mit der Gefängnisleitung handelte.

Derartige Vorfälle sind in der JVA Tegel in der Vergangenheit häufiger vorgekommen. Erst 1988 hatten Insassen eine Pistole versteckt, um, wie sich später herausgestellt hatte, mit der Preisgabe des Fundortes ein Geschäft zu machen. Es ist auch nicht das erste Mal, daß in Tegel Sprengstoff entdeckt wurde. Vor zehn Jahren waren schon einmal 290 Gramm Sprengstoff in der Anstalt gefunden worden.

Bis zum Sonntag wurden Zellen von Häftlingen durchsucht, bei denen Verdachtsmomente bestehen könnten, meldete die Justizpressestelle. Ein Tatverdächtiger oder Hinweise auf die Herkunft und den Verwendungszweck des Sprengstoffes konnten jedoch noch nicht ermittelt werden. Ungeklärt auch, wie das TNT in die Anstalt eingebracht werden konnte. Nach Angaben der Justizpressesprecherin Uta Fölster war der Sprengstoff weder durch Sonden noch mittels Durchleuchtungsgeräte feststellbar.

An den Pfortenbereichen der Anstalt finden derartig gründliche Personenkontrollen statt, daß das TNT kaum durch Besucher oder vom Freigang zurückkehrende Häftlinge eingeschmuggelt worden sein kann. Peter Lerch

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