: Wirbelstürme für gute Luft
Der Mineralöl-Industrielobby ist auf der Genfer Klimakonferenz kein Argument zu dumm, um die Lizenz zum Treibhaus-Heizen zu verlängern ■ Von Susanne Krispin
Genf (taz) – Eher zwei Schritte zurück als einen Schritt vorwärts, so läßt sich die Bilanz der Klimaverhandlungen zwischen 140 Ländern zusammenfassen. Am Ende der zweiwöchigen Genfer Konferenz sollte ein Protokollentwurf stehen, auf dessen Basis die erste Rio-Folgekonferenz in Berlin 1995 die Klimakonvention von einem Papiertiger zu einer weltweit verbindlichen Verpflichtung zur CO2- Reduktion hätte entwickelt werden können. Den Entwurf gibt es nicht.
Statt dessen haben die Deutschen ein Elementepapier eingebracht. Zu lesen ist da lediglich, daß die Industriestaaten sich bis zum Jahr 2000 zu einer Stabilisierung ihrer CO2-Emissionen auf dem Niveau von 1990 verpflichten sollten. Dabei haben die fortschrittlicheren Industriestaaten – Dänemark, Australien, Neuseeland, Kanada, Belgien, Österreich, Luxemburg und Deutschland – auf nationaler Ebene bereits das Ziel, die CO2-Emissionen um 20 Prozent zu vermindern. Im Fingerhakeln um Formsachen sind die erdölexportierenden Staaten Sieger geblieben, fröhlich vereint mit den Ländern, die nach wie vor auf Öl und Kohle setzen, wie etwa Großbritannien und die USA. Während die Ölstaaten selbst eher weniger CO2 emittieren (Iran 2,4 Tonnen CO2 pro Kopf, Saudai-Arabien 7,4 Tonnen, Nigeria 0,3 Tonnen und Venezuela 6 Tonnen) möchten sie, daß ihre Kunden in den Industriestaaten kräftig weiter ihr Exportprodukt verheizen. So hat vor allem der saudische Delegierte mit Unterstützung der Kuwaitis stets deutlich gemacht, man sei nicht sicher, ob die vorausgesagten Klimaänderungen wissenschaftlich haltbar seien.
Wesentlich aggressiver wurden die Abgesandten der britischen und amerikanischen Industrie. „Wir wurden mit Flugblättern regelrecht zugeschmissen“, so ein Vertreter der Umweltgruppen vor Ort. Per Wurfsendung verkündeten das World Coal Institute London und die Global Climat Coalition, hinter denen britische und amerikanische Öl-, Kohle- und Autokonzerne stehen: „Kleinere Wirbelstürme sind ungefährlich und sogar gut für das Klima, denn sie vertreiben Mief und Dreck aus den Städten.“ Ein britischer Delegierter ließ sich zu der Äußerung hinreißen: „Die anderen tun nichts für den Klimaschutz, da ihr Englisch für die Verhandlungen nicht gut genug ist.“ In den Diskussionen selbst schweigen sich die Briten und Amerikaner meist aus. Vornehm gebremst wird hinter den Kulissen.
Länder wie Südkorea und China fürchten inzwischen, daß sie als Industriestaaten demnächst mit in die Verpflichtungen der Klimakonvention eingebunden werden. Sie achten daher peinlichst darauf, daß es zu keinen verbindlichen Abmachungen kommt, die sie betreffen könnten. Die Dritte-Welt- Staaten wollen verständlicherweise vor allem, daß die Industrieländer ihre Emissionen vermindern. Sie selbst wollen frei von Verpflichtungen bleiben.
Positiv hervorgetan haben sich in den Verhandlungen die Holländer und die Schweizer. Die Holländer stellten in Genf die Ergebnisse einer Konferenz vor, die sich mit den Küstenschäden durch den Anstieg der Meere befaßt hatte. Positiv könnte sich der bevorstehende EU-Beitritt von Schweden, Finnland und Norwegen auswirken. Diese Länder haben bereits eine CO2-Energiesteuer. Vielleicht sorgt dies in der EU wieder für mehr Interesse an dieser Steuer.
Die Bundesrepublik konnte bislang ihren EU-Vorsitz nicht nutzen. Im Gegenteil: Weil die deutsche Delegation sich gleich am zweiten Konferenztag auf eine eigene Position festlegte, hat sie die Chance einer Abstimmung mit anderen EU-Partnern verspielt. Jetzt versuchen die Deutschen hinter den Kulissen das diplomatische Mißgeschick auszumerzen. Durch Gespräche mit Chile, Argentinien und Uruguay soll doch noch eine Mehrheit für einen Protokollentwurf herbeigezaubert werden. Der müßte bis zum 28. September 1994 bei der UNO ankommen.
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