: Bremerhavener „Arschloch“ trifft auf „braune Scheiße“
■ Bremerhavener Grüner: Von Polizei mißhandelt / Polizei: Alles Lüge
Schwere Vorwürfe gegen die Bremerhavener Polizei. In der Nacht zum Donnerstag sollen zwei BeamtInnen einen Bremerhavener auf der Alten Bürger gestoppt, mit rüden Methoden einkassiert und mitgenommen haben. Im Streifenwagen und später in der Wache sei er mehrfach beschimpft und mißhandelt worden. Ein Arzt hat ihm gestern die Folgen des Polizeieinsatzes attestiert: Schwere Prellungen und Würgemale am Hals. Das kann die Polizei kaum glauben. Die BeamtInnen hätten sich korrekt verhalten, sagte ein Polizeisprecher, im Gegenteil: Der Mann habe die BeamtInnen beschimpft. Die PolizistInnen haben nun Strafanzeige gegen den Bremerhavener gestellt.
Es geschah am ganz frühen Donnerstag morgen. Da lief der Bremerhavener Michael Zwingmann beschwingt nach Hause, als auf der Alten Bürger ein Polizeiwagen neben ihm hielt. Ein Polizist und eine Polizistin stiegen aus und fragten ihn nach seinem Namen, und er solle seine Hände vorzeigen. Der Grund: Ein paar Ecken weiter sei eine Scheibe eingeschlagen worden. Hier enden die Gemeinsamkeiten der Geschichten.
„Ich hab' gesagt, ich seh das gar nicht ein, meine Hände vorzuzeigen. Mit welchem Recht fragen die mich denn?“, sagt Zwingmann. Damit aber habe er offensichtlich die PolizistInnen reichlich provoziert. „Die sind plötzlich auf mich losgestürmt und haben mich gegen eine Hausmauer gedrückt. Und als ich versucht habe, meine Arme freizubekommen, haben sie mich am Hals gepackt, auf's Pflaster geworfen und Handschellen angelegt.“ Die hätten die BeamtInnen so zugezogen, daß seine Handgelenke schwer in Mitleidenschaft gezogen worden seien.
Dann sei er per Fußtritt in den Polizeiwagen expediert und zur Wache Mitte im Columbus-Center gefahren worden. „Die ganze Zeit, auch später auf der Wache, haben die mich übel beschimpft. „Arschloch und Idiot haben die zu mir gesagt. Und einer hat gemeint: Wenn Du nicht ruhig bist, dann kriegst Du ein paar auf's Maul. Und dann hat er mir mit seinem Handschuh in's Gesicht geschlagen.“
Bevor der Gefangenentransport auf der Wache eintraf, wurde Zwingmann zur Gegenüberstellung gebracht, auf offener Straße. Der Zeuge habe ihn nicht wiedererkannt, wie auch, er sei es ja auch nicht gewesen, nur habe das auch nicht zu seiner Freilassung geführt.
„Die haben mich zur Wache gefahren, und da ist alles weitergegangen.“ Als er zum soundsovielten mal die zu engen Handschellen angemahnt habe, habe ein Polizist seine Arme an den ohnehin zu engen Fesseln hinter dem Rücken nach oben gezogen. „Die Handgelenke tun mir heute noch weh.“ Schwere Prellungen hat ihm sein Arzt attestiert. Nach einigem hin und her und als er sich immer noch nicht habe ausweisen wollen, habe dann ein Beamter gesagt: „Das ist ein Arschloch, denn kannst Du ruhig in's Loch werfen.“ Mehrfach habe er angemahnt, seinen Anwalt sprechen zu dürfen oder den Polizeipräsidenten – ohne Erfolg. Dann hätten die Beamten seine Hosentaschen durchwühlt und seinen Führerschein gefunden. Als die Personalien geklärt waren, sei er schließlich freigelassen worden.
Bei Zwingmann hat die Geschichte bleibende Schäden hinterlassen, weniger an den Knochen, als vielmehr im Gemüt: „Ich hab' das Vertrauen in die Polizei gründlich verloren“, sagt er. „Ich hab richtig Angst vor der Polizei.“ Am Donnerstag habe er versucht, mit dem Polizeipräsidenten zu sprechen, bis zu dem ist er allerdings nicht vorgedrungen. So soll es am Montag zu einem Gespräch mit dem Leiter des Columbus-Reviers kommen.
Dort wird Zwingmann die Polizei-Version seiner Geschichte zu hören kriegen. Und die ist doch ziemlich anders als sein Erlebnisbericht. Als bei einer Kneipe in der Nähe der Bürger eine Schaufensterscheibe eingeworfen worden sei und ein Zeuge einen der beiden Männer ziemlich gut habe beschreiben können, seien alle verfügbaren Streifenwagen in die Gegend geschickt worden, erzählt Polizei-Pressesprecher Wolfgang Harlos. Und so seien die BeamtInnen auf Zwingmann gestoßen: „Er hat gesagt, aus datanschutzrechtlichen Gründen wolle er seine Personalien verweigern. Außerdem wolle er die Polizeimacht nicht anerkennen, haben mir die Beamtin und der Beamte erzählt. Da haben die ihn mitnehmen müssen.“ Und weil er sich geweigert habe, per Handschellen und Schwitzkasten. Obwohl die BeamtInnen mit Geduld auf ihn eingeredet hätten, sei Zwingmann auch auf der Wache bei seinem Verhalten geblieben. „Und dann hat er die Beamten als ,braune Bande' beschimpft. ,Ihr seid braune Scheißer', hat er gesagt.“ So sei es zur Anzeige wegen Beleidigung, Widerstandes und Verweigerung der Personalien gekommen. Wie Zwingmann zu seinen Verletzungen gekommen sei, das wisse er auch nicht: „Das sind wirklich gute Beamte.“
So stehen sich zwei Versionen gegenüber. Ob sie auf einen Nenner gebracht werden können, das wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Danach haben die Kontrahenden aber bald Gelegenheit zum Weiterstreiten. Zwingmann ist im Vorstand der Bremerhavener Grünen und möchte in die kommende Stadtverordnetenversammlung einziehen. „Dann übernehme ich aber den Polizeiausschuß.“ J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen