Sanssouci: Vorschlag
■ Russische Künstlerinnen – ein Film von Natalja Sharandak
Sirenenhafte Klänge, prunkvoll verkleidete Sängerinnen mit abenteuerlichen Kopfbedeckungen, jedes Lied ist eine Performance. Die Konzerte der St. Petersburger Frauenband Kolibri stellen jeden MTV-Clip in den Schatten. Sie haben sich bewußt dafür entschieden, als Frauengruppe aufzutreten, einige ihrer Texte sind ein „eindeutig auf die Männer gerichteter Pfeil“. So handelt eines der Lieder von einer Frau, die verlassen wurde, weil sie zu unabhängig war. Aber Feminismus? „Als Russinnen wissen wir nicht, was Feminismus ist.“ Ähnlich widersprüchlich fallen auch die Antworten der anderen vier Künstlerinnen aus, die die russische Filmemacherin Natalja Sharandak nach dem spezifisch Weiblichen in ihrer Kunst befragt hat. Die Spannbreite reicht von der biologistischen Sicht der Fotografin Vita Bujvid („Es gibt einen Unterschied im Schaffensprozeß zwischen Mann und Frau. Das gibt die Natur vor. Mann und Frau haben eine unterschiedliche Art zu denken.“) bis zur kühnen Aussage der Malerin Bella Matvejeva: „Die Grenzen verwischen immer mehr. Ich bin ebenso Frau wie Mann.“
Mit dem Wort Feministin mögen sich die Künstlerinnen nicht identifizieren, was sicher auch daran liegt, daß der Begriff in der Sowjetunion als beleidigend, bestenfalls belustigend galt und auch heute noch mißverstanden wird. Aber feministische Ideen liegen den im Film interviewten Künstlerinnen sehr nahe. Dennoch: ihre Werke lassen sich nicht nur unter diesem Aspekt betrachten. Vita Bujvid hat für ihre Serie umhäkelter Fotos im Stil der vierziger Jahre bewußt die Form des Kitsches gewählt, der in totalitären Zeiten eine besonders starke Rolle spiele, „Verteidigung vor Schrecken und Angst“ sei. Und die Bilder von Bella Matvejeva erinnern mit ihren goldenen Ornamenten und kühlen Zwanziger-Jahre-Schönheiten an Jugendstilgemälde. Mit dem Titel ihres Films, „Arithmetik der Gleichberechtigung“ bezieht sich Sharandak auf die russische Dichterin und Religionsphilosophin Zinaida Grippius. Diese legte in den dreißiger Jahren in dem Artikel „Die Arithmetik der Liebe“ ihre Theorie über die Liebe dar. Für Sharandak gilt die Gleichung: ohne Gleichberechtigung keine Liebe. Dorothee Winden
„Arithmetik der Gleichberechtigung“ von Natalja Sharandak, morgen, 19.30 und 22 Uhr bei Cine Sisters im KOB, Potsdamer Straße 159, nur für Frauen. Die Filmemacherin ist anwesend.
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