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Klaus Kinkel will nicht sitzenbleiben

Der FDP-Chef auf dem Nürnberger Parteitag: „Wir stehen auf und kämpfen“ / Die Angst vor der Fünfprozenthürde sitzt den Liberalen mal wieder schwer im Nacken  ■ Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Für liberale Bürgermeister gibt's zwei Flaschen Frankenwein, Delegierte und Gäste müssen sich mit einem Fläschchen Magenbitter begnügen. „Schwarzer Schrecken“ heißt die eine, „roter Beißer“ die andere Pulle Rebensaft – blau auf gelb ist dem Hochprozentigen aus Thüringen aufgedruckt: „Die FDP ist bitter, aber sie hilft.“ Wahlparteitag der Liberalen, gestern in Nürnberg.

„Wir werden es packen“, ruft Generalsekretär Werner Hoyer den rund sechshundert Delegierten in der Mehrzweckhalle des Messegeländes zu. Die FDP, ja die werde weiterhin gebraucht. „Völliger Blödsinn“, schmettert der General denen entgegen, die in den letzten Tagen und Wochen orakelt hatten, daß die politischen Ziele des Liberalismus bereits verwirklicht seien, die FDP mithin überflüssig geworden sein könnte. Nein, das wäre ein „historischer Irrtum“.

Die Fünfprozenthürde im Blick, am 25. September bei den Wahlen zum bayerischen Landtag und am 16. Oktober für den Bund, sprechen sich Delegierte Mut zu, die „FDP wird als Korrektiv im Bund und im Land gebraucht“. Die dringend benötigte Motivation nach den Wahlschlappen der letzten Wahlgänge bringt der Bundesvorsitzende. Demonstrativ krempelt Klaus Kinkel nach seiner Rede ein ums andere Mal die Ärmel auf. Das Motto des Parteitages, „Diesmal geht's um alles“ – es wird in der Person des Bonner Außenministers personifiziert. „Resignation ist unsere Sache nicht“, tönt er, „wir haben uns entschieden: Wir stehen auf und kämpfen.“ Und: „Ich will es bei dieser Wahl auch persönlich wissen.“ Über eine Stunde redet er, über die großen Leistungen der liberalen Politik. Kein Bonner Minister seiner Partei, den er nicht für seine Leistungen lobt. Vor allem aber malt er in schillernden Farben aus, was geschieht, wenn der Wählerwille die FDP aus den Bundestag katapultieren sollte. „Ein deutscher Bundestag ohne die Liberalen, das wäre eine andere Republik.“

Die CSU, das ist für Kinkel das Synonym für „Vetterleswirtschaft, Parteibuchgeschäfte und handfeste Amigo-Skandale“. Die SPD nennt er im Gegenzug „einen Frontalangriff auf die Leistungsträger im Land“. Zum real existierenden Bonner Koalitionspartner aus CDU und CSU fällt Kinkel ein, wie schwer es der FDP in Bonn falle, „den Damm gegen die Gesetzeswut und Verschärfungstendenzen der Konservativen zu halten“. Wiegt das schon schwer und ist es ein wohlerprobtes Argument für die notwendige Regierungsbeteiligung der FDP – Rot-Grün in Bonn, das wäre die Katastrophe: „Gute Nacht, Außenpolitik, gute Nacht, Wirtschaft, gute Nacht, Deutschland!“ Und Rot-Grün am Tropf der PDS im Bundestag? Für Kinkel im schwäbischen Klartext nur „eine Sauerei“.

Kinkel spricht Mut zu, Ignatz Bubis verteilt den Balsam für die wankelmütigen FDP-Seelen. Geschichtliche Ereignisse wie die Öffnung der Bonner Außenpolitik nach Osten, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden und das FDP-Mitglied: ohne die Liberalen hätte es das nicht gegeben. Ebenso sei die Innen- und Rechtspolitik wesentlich von liberalen Politikern mitbestimmt worden. Hans-Dietrich Genscher wiederum läßt nichts auf den Einheitswillen der Partei kommen: „Die Einheit Deutschlands haben wir Liberalen immer erwähnt, gewollt und erkämpft.“

Weniger Mut, dafür mehr Stimmung offeriert der Wahlkampfsenior und Steuersünder Otto Graf Lambsdorff zusamen mit Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt. Für Lambsdorff ist die Idee des Kohl-Herausforderers Rudolf Scharping, den saarländischen Ministerpräsidenten Lafontaine als Finanzminister in sein Schattenkabinett zu nehmen, nur ein Versuch, „Al Capone mit der Resozialisierung von Strafgefangenen zu beschäftigen“. Rexrodt sattelte drauf und höhnt über Scharpings „Jetzt geht's los!“-Parole: Damit könne „man möglicherwiese Pfadfinder im Westerwald beeindrucken“, mehr aber nicht.

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