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Schwule haben mehr

■ Eine „wohl heftige“ Diskussion über schwul-lesbische Zusammenarbeit im „Salon Schmidt“ Von Kaija Kutter

Der Orangensaft kostete 7 Mark, dafür war das Zuhören umsonst, ein kleiner Einblick in die Probleme schwul-lesbischer Zusammenarbeit. „...sie konnten zusammen nicht kommen...“, lautete der Satz, mit dem das Schwulenmagazin Hinnerk eine „wohl heftige“ Debatte in Angies Nightclub (Schmidt-Theater) anzetteln wollte.

Liebevoll, fast zu professionell für die kleine Runde, moderiert von NDR-Journalist Friedhelm Mönter, begann die Diskussion zunächst schleppend. Das Thema schien genügend reflektiert. Die schwul-lesbische Filmfestivalveranstalterin Dorothee von Diepenbroik beschrieb eine „große Entfernung“ zwischen Männern und Frauen, zwischen „befremdend bis aggressiv“. Gleichzeitig aber sei sie sehr gerne mit Schwulen zusammen und empfinde „Sympathie für das Spiel mit der Geschlechterrolle“. Dieses ausgewogene Einerseits-Andererseits zog sich durch, wobei den Männern eine Spur schlechten Gewissens anhaftete. „Es gibt in der schwulen Szene Frauenfeindlichkeit“, räumte Bernd Stolle vom Magnus-Hirschfeld-Centrum (MHC) ein. Deshalb sei die Zusammenarbeit mit Lesben - wie im MHC praktiziert - eine Bereicherung. „Es gibt nichts Schlimmeres als auf Dauer zehn Schwule in einem Raum“, sagt auch Marco Ritter von der „Metropolitain Community Church“. Auch Schwule hätten schließlich eine heterosexuelle Erziehung hinter sich.

Dem anerzogenen Mackerverhalten hatten die Frauen den Emanzipationsstreß entgegenzuhalten. Denn bevor sich Lesben ihrer sexuellen Identität stellen konnten, mußten sie sich in den 70ern erstmal samt Frauenbewegung vom Patriarchat befreien. So, sagte eine 19jährige Jung-Lesbe, sei es ihr überliefert worden.

Der friedliche Konsens wurde gebrochen durch ein paar Starrköpfe. Egal ob Neumünster, Flensburg oder Kiel, es sind stets die Lesben, die Zusammenarbeit verweigern, nörgelte ein Schwuler aus dem Norden. Lesbierinnen seien an der Mitarbeit in Sportvereinen nicht interessiert, sagte auch Peter Redders vom „Startschuß“. Als kürzlich doFrauen Eintritt begehrten, sei dies nur wegen der Nutzung der Turnhallen gewesen. Redders: „Da ging unsere Badminton-Gruppe vor“.

Kein guter Wille also. Selbst beim MHC-Frauencafe wurde um jede Stunde Öffnungszeit zäh gefeilscht. Schwule haben einfach mehr. Mehr Treffs, mehr Strukturen, mehr Seilschaften, mehr gesellschaftliche Anerkennung. So eine Erkenntnis des Abends, ausgelöst durch die Frage Mönters, wie es angehen könne, daß sich in seinem Kollegium keine Lesbe offen zu bekennen traut.

Fazit von Gastgeber Cornie Littmann: Es gebe einfach keine Gemeinsamkeit, weil es wenig eigenes gibt, „keine politische Schwulen und Lesbenbewegung“. Daher sei es müßig, über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Ein Pessimismus, den die durchweg jüngere Zuhörerschaft nicht teilte.

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