■ Schnittplatz
: Gnadenlos jung

Das ARD-Vorabendprogramm wird jetzt total auf jung getrimmt. Ab 1995 will sich das Erste „noch konsequenter auf jüngere Zielgruppen ausrichten“, so Ludger Lausberg auf dem ARD-Werbetreff Ende August in Düsseldorf. Dabei geriet der ARD-Mann vor den Werbefachleuten richtig ins Schwärmen: „Das bedeutet den Einstieg ins Formatfernsehen.“

Schon ab Januar sollen zwei tägliche Soap-operas die 14- bis 49jährigen an das Erste binden. So wird der „Marienhof“, bisher die betuliche Chronik eines Stadtviertels, „deutlich jugendlicher relaunched“ (Lausberg). Die jungen Darsteller sollen in der Serie künftig die erste Geige spielen. Dies setzt sich bei „Verbotene Liebe“, einer Inzest-Story aus der Düsseldorfer Model-Szene fort: Er liebt sie, ohne zu wissen, daß sie Geschwister sind. Auch die Krimiserie „Die Partner“ präsentieren die ARD- Werbeleute ganz im Sinne der heranwachsenden Konsumenten: „Eine junge Generation meldet ihre Ansprüche an.“ Das Surfer- Epos „Gegen den Wind“ schließlich soll puren „fun“ bringen.

Ziel der ganzen Verjüngungsanstrengungen ist es, der Werbewirtschaft ein Umfeld zu bieten, „in dem sich ihre Marken sehen lassen können“, so Lausberg forsch. Man konzipiere die Serien sorgfältig und prüfe, ob sie bei den Zielgruppen ankommen, „denn wir wollen Ihren und unseren Erfolg planbar machen“. Die Mühe der öffentlich- rechtlichen Programmgestalter ist nicht umsonst, gilt es doch die rückläufigen Werbeeinahmen aufzufangen und im enger werdenden Markt standzuhalten. Im nächsten Jahr sollen die Kunden für 30 Sekunden Sendezeit im Durchschnitt rund 35.000 Mark zahlen, 27 Prozent weniger als im Vorjahr. Wie hart das Gerangel um die begehrte Zielgruppe ist, zeigt sich daran, daß auch RTL im nächsten Jahr für die Jungen noch attraktiver werden will. Da wird dann in der Daily-soap „Unter uns“ das Leben einer WG ausgebreitet. „Und Tschüß“ spielt unter Autofreaks im Ruhrgebiet. Wer also glaubt, das Niveau der TV-Serien lasse sich nicht weiter unterbieten, dürfte im nächsten Jahr mit einem neuen Debilitätsschub eines Besseren belehrt werden. Die ARD scheint diesmal in der ersten Reihe mit dabei zu sein.Philippe Ressing