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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Schon wieder Ferien. Diesmal nicht bei Toni, dem Pavianforscher in den Drakensbergen, sondern bei Frau Mutter im Chiemgau. Vor dem Heimflug noch schnell auf eine Fete der Kommunisten. Solche Feste kann man ja in Europa nur selten noch feiern. Es gibt sie eigentlich gar nicht mehr. Einfach ausgestorben. Und wo sie überlebt haben, sind sie so fad, daß man bei Teilnahme selber stirbt. Todesursache: Langeweile.

Falls jemand zu diesem Top Protest einlegen will, dürfen wir an die DKP-Feste in den sozialpädagogischen Seventies erinnern: humorlose Leute, grausige Musik (Arbeiterkampflieder, gesungen von Schullehrern), klebriger Sodbrennwein aus Bulgarien, acht Infotische mit verhärmten Genossen und Genossinnen dahinter. Kurzum: linker Biedermeier. Spaß, Lust, Laune? Alles tabu. Denn das Leben ist ein immerwährender Klassenkampf.

Ein KP-Fest in Kapstadt also, im River Club, gegr. 1939, gleich hinter dem Arbeiterviertel Woodstock. Am Eingang lösen wir ein maorotes Ticket, auf dem Joe Slovo, KP-Chef und Minister für Wohnungsbau, den Pogo tanzt. Und schon geht's richtig ab! Eine Turnhalle, 800 springende und lachende Leute, fetziger Afro-Beat, an den Wänden die Ikonen des Jahrhunderts: rechts Onkel Lenin, links Großvater Marx, in der Mitten Chris Hani, der Held der Township-Kids, den ein polnischer Neonazi auf der Treibjagd nach den letzten Kommunisten Ostern 1993 umgebracht hat.

Der Gestank ranzigen Bratfettes, in dem die Fritten schwimmen, und die strengen Blicke von Lenin und Marx sind die einzigen Erscheinungen, die uns an die DKP- Feste im Heim der Arbeiterwohlfahrt erinnern. Nichts sonst. Keine verbitterten Funktionäre im Parka, keine höllisch frustrierten Vorkämpferinnen der Arbeiterinnenklasse, keine vom rachitischen Agitprop erstarrten Gesichter. Dafür ein buntes, lärmendes Gewusel, jung und alt, ein Mischvölkchen, das das Attribut multikulti verdient: Kapmalaien und Inder, Weiße, Braune und Schwarze. Lauter Kommunisten/innen (sic! Man schreibt deutsch!) und Frohsinn allum.

Die roten Socken am Kap müssen eben nicht hadern und jammern, im Gegenteil. Sie waren im Widerstand gegen die Apartheid, wurden verfolgt, eingesperrt, gefoltert und umgebracht. Den bitteren Preis des Kampfes kann man im River Club sehen. Da sitzt zum Beispiel ein Mann am Rande der Tanzfläche, der dort, wo einmal seine Hände waren, nur noch Stahlkrallen trägt: Ein Pfarrer, dem der Geheimdienst eine Briefbombe zusandte.

Am Ende des langen Marsches hat die vereinigte Linke das Rassistenregime in die Knie gezwungen. Und deswegen wird hier so ausgelassen gefeiert. Der Vizefinanzminister Alex Erwin walzert mit einer blonden Genossin übers Parkett – bei der DKP untersagt wg. zuviel Erotik. Pallo Jordans Tochter ist aus London gekommen und todschick angezogen – verpönt wg. Bourgeoisieverdacht. Ex-Homelandführer Bantu Holomisa reißt Witze – streng verboten. Wir kontrollieren seine Socken. Er hat olivgrüne an, keine roten. „Ihr wißt schon“, sagt er, „ich war Militärdiktator.“ Lenin schaut wohlwollend auf uns herab, die Turnhalle tobt, die Lebenslust wogt. Eine Party der Partei. Venceremos!

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