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Redlich vergeblich

DFB-Pokal: SSV Ulm – VfB Stuttgart 0:1 / Regionalligist unterliegt trotz zwölftem Mann  ■ Aus Ulm Markus Götting

Carlos Dunga schlurfte in seinem frauenpowerlila Leibchen kopfschüttelnd vom Feld. „Nix sagen“, sagte er vielsagend, schlurfte weiter gen Kabine, um dort mit sich und seinem Mikrokosmos Fußballplatz wieder ins reine zu gelangen. Was war bloß in ihn gefahren, in den braven Brasilo- Schwaben vom VfB Stuttgart? Hatte er nicht mit seinem sehenswerten Sonntagsschuß in der 25. Minute seinen Arbeitgeber in Runde drei des DFB-Pokals gekickt? Tja, am zwölften Mann war er kurz vor Schlußpfiff gescheitert; an jenem metallenen Kollegen namens Pfosten, den die Ulmer Regionalligisten frecherdings aufgeboten hatten. Und dieser stand zum großen Aufatmen der 15.000 Fans gleich zweimal bei vernichtenden VfB-Böllern im Wege.

Unfair? Keineswegs: schließlich mußte der Sport- und Schwimmverein den personellen Mangel im Mittelfeld kompensieren – und den hatte ihnen Jürgen Röber eingebrockt, Fußballehrer am Neckar. Hatte der doch einfach den Libero vor der Abwehr spielen lassen, wodurch ein früherer VfB- Angestellter complètement überfordert war. „Wir hatten einen Mann mehr im Mittelfeld, der arme Perfetto wußte überhaupt nicht mehr, wohin er laufen sollte“, bemitleidete Röber den unglücklichen Klaus, der so wacker agierte, rannte und grätschte.

Richtig gekämpft hatten seine Jungs, erkannte Übungsleiter Rainer Ulrich, als ob sie sich „Roten Bullen“ statt „Goldenen Ochsen“ (so heißt der örtliche Gerstensaft) reingedröhnt hätten. „Spielerisch wurde aber der Unterschied deutlich.“ Damit hatte der Ulmer Coach wohl recht. Auch in der Erkenntnis, daß seine Balltreter von zu großem Respekt gelähmt waren in den ersten 45 Minuten. Da konnten die Gäste nämlich machen, was sie wollten, kombinierten ansehnlich und wirbelten die Abwehr der Gastgeber so durcheinander, daß die Lederkugel kreuz und quer durch den Strafraum sauste. „Die haben uns von Anfang an unter Druck gesetzt“, bemerkte Ulms Torsteher Philipp Laux, der ordentlich arbeiten mußte für sein spärlich Gehalt. Konzentration und Engagement hatte Röber von seinen wohlverdienenden Profis aber auch verlangt – das Fanal aus Vestenbergsgreuth (das Tee-Dörfchen hatte den FC Bayern in der ersten Pokalrunde mit 1:0 bis auf die Knochen blamiert) ständig vor Augen.

An des Trainers Anweisungen hielten sich denn auch die Herren Andreas Buck (44.), Axel Kruse (72./87.), Fredi Bobic (73./78.), Marc Kienle (78.) und Carlos Dunga (90.) und versetzten das Abwehrzentrum der Gastgeber in einen belagerungsähnlichen Zustand. Aber: Wer nicht trifft, wird nicht nur nervös, er macht auch den Gegner stark. Selbst einen solch harmlosen wie die Donau- Kicker. Die mühten sich zum Schluß redlich wie vergeblich, dennoch war Stuttgarts Kapitän Thomas Berthold nicht eben zum Feiern zumute: „Da müssen wir nicht drüber reden, wir haben es uns schwerer gemacht als nötig, hätten gar nicht zittern müssen.“

Hätten sie tatsächlich nicht. Aber die bereits erwähnten Herren trafen eben Gegners Kasten nicht – Symptom einer Malaise, die den Vorgesetzten verzweifeln läßt: „Das Toreschießen ist momentan unser großes Manko.“ Das personifizierte Manko heißt Axel Kruse. Von Beruf Stürmer mit dem Stigma der Erfolgslosigkeit, aber auch der Gewißheit, daß es zu ihm derzeit keine Alternative gibt. Giovane Elber, der andere Brasilianer, fällt wegen Verletzung nämlich noch knapp acht Wochen aus. Trainer Röber, in Kenntnis der finanziellen Möglickeiten seines Klubs, denkt derzeit nicht an die Verpflichtung einer weiteren Offensivkraft, sondern übt sich in Seelenmassage: „Ich mache dem Axel keinen Vorwurf, er braucht einfach nur ein Erfolgserlebnis.“

VfB Stuttgart: Immel - Foda, Dubajic, Berthold - Buck, Strunz (68. Kienle), Dunga, Poschner, Kögl - Bobic, Kruse (87. Bochtler)

Zuschauer: 15.000; Tor: 0:1 Dunga (22.)

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