: „Heteros sind triebmäßig dümmer“
■ Thomas ist Callboy und HIV-positiv, er denkt über illegales Flair und Aids nach
taz: Wie darf ich Sie anreden, und warum sind Sie hier?
Thomas: Thomas! Vor einem Jahr war ich in Berlin mal bei „Querstrich“. Aber da hat mir der Umgang der Leute miteinander nicht gefallen. Die redeten nur von Kunden und Dienstleistung, konnten damit aber in Wirklichkeit gar nicht damit umgehen.
Worum ging es konkret?
Jeder möchte über Geld reden, aber keiner hat sich getraut.
Ist das ein Geschäftsgeheimnis?
Sonst ja, aber nicht in einer Selbsthilfegruppe. Daß das dann mit zwei, drei Leuten ging, war schon ein großer Schritt. Ich persönlich habe es leichter. Ich habe das Hobby zum Beruf gemacht. Da liegen Welten zwischen den Callboys und dem kleinen Türken am Bahnhof Zoo, der das für sein Fressen oder einen Schuß macht.
Du bist für die Legalisierung deines Berufes?
Ja. Es gibt Bedenken, daß die Gäste gerade das illegale Flair wollen. Strich muß auch strichig riechen. Deshalb sind auch viel mehr Männer positiv. Mir sind genießende Leute lieber. Aber das braucht viel Zeit und nützt den Leuten jetzt nichts. Sie brauchten eine 24-Stunden-Anlaufstelle und da das Gefühl, Ruhe zu haben und daß sie sich nicht zu schämen brauchen, daß man sie ernst nimmt. Dort könnte man auch eine Liste von gewalttätigen Freiern aufstellen, Freiern, die lügen oder nicht zahlen wollen.
Du bist positiv und bekämst Berufsverbot.
Trotzdem. Ich meine die Jungs am Bahnhof. In der Atmosphäre entsteht schnell Kriminalität. Das mit der Gewalt gegen Frauen geht auch nur da. Frauen haben es schwerer. Die haben meist auch andere Freier als wir. Die sind einfach triebmäßig dümmer. Schwule denken anders über sich nach.
Wie bitte?
Wer sich Sex kauft, tut das doch aus einem ganz banalen Gefühl. Das ist das Bedürfnis, aus dem, was er für sich als Alltag empfindet, für eine kurze Zeit auszubrechen. Wenn die das nur im Strichmilieu könnten, dann wäre das schlecht. Das kriegen die aber bei mir auch so. Die lernen bei mir Gefühl und Phantasie kennen. Das könnte ich eigentlich mit der Krankenkasse abrechnen, wenn einer sich erst umbringen will, weil er schwul ist, und dann nach dem fünften Besuch nichts anderes mehr will.
Der Callboy als Therapeut?
Die meisten Menschen können nicht mehr spielen, nicht mit Gefühlen umgehen. Die wissen nicht mehr, was Schmerz, Lust, Verzweiflung ist.
Du bis seit Jahren positiv und nicht krank.
Ganz einfach: viel Hasch, Sex, Schweinefleisch und Schlaf. Interview: Heide Platen
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