: „Mit langem Atem etwas Neues aufbauen“
■ Interview mit der Bündnis-90-Abgeordneten Anette Detering: „Das Thema Vergangenheitsaufarbeitung darf nicht ruhen, muß aber eingebunden werden“
taz: Was bedeutet das Wahldebakel von Sachsen und Brandenburg für die Berliner Grünen?
Anette Detering: In Sachsen und Brandenburg hat man einen guten Vater gewählt. Diesen Wunsch gibt es auch in Ostberlin. In dieser Situation ist es sehr schwer, mit emanzipatorischen und ökologischen Inhalten durchzukommen und im Ostteil ein gutes Ergebnis zu erzielen. Da muß man erst mit einem langen Atem etwas Neues aufbauen. Dabei dürfen wir das Thema Vergangenheitsaufarbeitung nicht sein lassen. Aber es muß mit anderen Themen verbunden werden. Dazu brauchen wir ein klareres Profil.
Das Profil beim Bündnis 90 ist doch klar auf die Vergangenheitsbearbeitung ausgerichtet – aber die Wähler wollen dies nicht.
Wir werden damit identifiziert, und es ist sicher richtig, daß dies Thema ungeliebt ist. Aber richtig ist auch, daß in der gemeinsamen Partei auch die anderen Themen bearbeitet wurden. Der Wähler hat uns in Sachsen und Brandenburg aber klargemacht, daß ihm diese anderen Themen nicht wichtig sind. Wir werden in Berlin aber nicht attraktiver, wenn wir nun erklären, wir würden mit diesem Thema Vergangenheit gar nicht mehr umgehen. Das glaubt man uns doch schon wegen unserer Biographien nicht.
Welche Schlüsse ziehen Sie für Berlin aus dem Wahlergebnis?
Wir müssen das diskutieren, um zu noch klareren Positionen zu finden. Wenn wir ein Teil der demokratischen Linken sein wollen, müssen wir auch klarere Grenzen zur totalitären Linken ziehen, wie sie in Teilen der PDS existent ist. Ich sehe eine Übereinstimmung, daß man die Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht lassen darf. Aber sie muß eingebunden sein in ein Gesamtangebot an Politik.
Päsentieren sich die Grünen in Berlin zu sehr als Regierungspartei im Wartestand?
Da haben wir einen schweren Stand gegenüber der PDS, weil die den charmanten Vorteil hat, hauptsächlich ostdeutsche Partei geblieben zu sein. Durch unsere Fusion kommen wir gegenüber diesem schlichten Verständnis in eine schlechtere Position. Es muß uns deshalb sehr viel deutlicher in Ostberlin gelingen, uns als Partei darzustellen, die für die ganze Stadt Antworten auf ökologische und wirtschaftliche Probleme hat und das zugleich zu verbinden mit der Frage der Aufarbeitung der Vergangenheit. Wir müssen uns aber darauf einstellen, daß es eine Schere zwischen den Ergebnissen von Bündnis 90/Grüne im West- und Ostteil geben wird. Und wir müssen die Geduld aufbringen, daß diese Ergebnisse auch längerfristig niedriger als im Westteil sein werden. Int: Gerd Nowakowski
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