Mord im Gerichtssaal

■ Selbstjustiz eines Freundes“

Während der Urteilsverkündung im Schwurgerichtssaal des Hamburger Landgerichts ist gestern der Angeklagte Dieter Wolfgang Dame von einem Zeugen mit zwei Messerstichen getötet worden. Dame war wegen Mordes an seiner Geliebten Gabriela N. angeklagt.

Der Täter, der sich als „väterlicher Freund“ der Getöteten ausgibt, wurde im Saal von Justizbeamten überwältigt und festgenommen.

Der Vorfall ereignete sich kurz nach 15 Uhr. Der Vorsitzende Richter Günther Heinsohn hatte gerade das Urteil verkündet – drei Jahre, neun Monate wegen Totschlags. Als die Zuschauer wieder Platz nehmen wollten, sprang plötzlich ein 57jähriger Mann über die Absperrung des Zuhörerraums, zog ein 25 Zentimeter langes Messer und stach mit den Worten: „Du hast meine Frau getötet“ zwei Mal auf den Angeklagten ein. Ein Strich traf Dame durch den Rücken ins Herz, der zweite in den Hals. Der Angeklagte war sofort tot. Der Messerstecher und Freund von Gabriela N. war selbst als Zeuge in dem Prozeß gehört worden.

Dame war ursprünglich wegen Mordes angeklagt. Er hatte gestanden, am 7. Dezember vorigen Jahres Gabriela N. getötet zu haben. Danach habe er – im angetrunkenen Zustand – seine völlig betrunkene Geliebte, die immer wieder Selbstmordgedanken gehabt habe, auf ihren Wunsch während des Geschlechtsverkehrs mit einem Hemd erdrosselt, das sie unter ihren Kopf gelegt hatte.

Staatsanwältin Kerstin Uffenwasser hatte nach der Beweisaufnahme den Mordvorwurf fallengelassen, auf Totschlag mit verminderter Zurechnungsfähigkeit plädiert und acht Jahre Knast gefordert. Offenbar war dem Täter dieses Strafmaß zu milde, so daß er zur Urteilsverkündung ein Messer in das durch Eingangskontrollen gesicherte Landgerichtsgebäude schmuggelte.

Als Heinsohn dann das relativ milde Urteil verkündete, übte der 57jährige Selbstjustiz.

Kai von Appen