: Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich
Irgendwann wird jeder Widerstand lächerlich. Als verbürgter Ausländer hat man, wenn's hoch kommt, zwei Jahre Schonfrist, aber dann wird beigetreten. Nur wer sein gesamtes Hab und Gut, den Verstand oder ein rechtes Bein verloren hat, ist notdürftig entschuldigt. Alle anderen müssen sich mehrmals täglich weniger „Did you join the gym?“ als „Which gym did you join?“ fragen lassen. Und die Antwort muß wie aus dem Bauch geschwungen kommen: „Old Eds“.
Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um eine jener futuristischen Fitneßfabriken, die momentan wie gläserne Parabolpilze aus Südafrikas roter Erde schießen. Jeden Morgen um sechs und nachmittags ab fünf füllt sich der Parkplatz vor Old Eds im Johannesburger Nobelstadtteil Houghton und fließt fast bis zu Nelson Mandelas Villa um die Ecke über. Im Glaspilz fängt die Luft derweil zu dampfen an: Rosarote Körper rudern in langen Reihe, ohne voranzukommen, um die Wette, während andere mit schmerzverzerrten Mienen Blei in die schweren Lüfte stemmen.
Rosarot zu 99,5 Prozent. Denn entgegen der Hautfarbenarithmetik am Kap der Guten Hoffnung hat sich in Old Eds eine deutliche Dominanz in Pink erhalten. Das mag geographische und pekuniäre Gründe haben – sicher ist, daß die Fabrik für body toning von diesem Mißverhältnis lebt. Denn fast alles, was in Old Eds für einen Tausender im Jahr getan wird – Rennen, Rudern, Fahrradfahren –, könnte so gut wie kostenlos auch in den Parks rund um Johannesburg geschehen, wenn dort nicht die Gefahr in Gestalt dunkler Gestalten lauerte. Im Old Eds ist man wie in den befestigen Shopping-Centern noch sicher unter sich. Doch die Tage (ein)gebildeter Stärke sind gezählt. Kürzlich tauchte plötzlich Joe Slovo, neuer Minister für Wohnungsbau, mit seinen schwarzen Bodyguards im Muskeltempel auf. Joe Slovo selbst ist zwar von außen weiß wie Camembert, doch innen ist er rot und Kommunist (was sich unter anderem in seinen roten Socken – nicht aber, wie bereits behauptet wurde, auch in einer bekennerischen Unterhose niederschlägt) und als solcher schon ein Eindringling. Ein weißer Roter war am Kap schon immer schlimmer als ein schwarzer Brauner. Ein einflußreicher Leitartikler schimpfte deshalb wütend, daß ein Sohn Lenins – kaum ins Amt gehievt – schon dem Luxus fröne, anstatt lobend anzuerkennen, daß sich ein Minister so unverhüllt dem öffentlichen Blick aussetzt.
Die eigentliche Furcht des Kommentators erwies sich allerdings als völlig richtig: Der Besuch des roten Joe war in Wirklichkeit ein Kundschaftsgang. Schon kurz nach der Spähübung hüpften plötzlich Gewerkschaftssekretäre zu Michael- Jackson-Songs im Aerobic-Raum, der schwarze Jazztrompeter Hugh Masakela hält seinen Resonanzkörper inzwischen im Old Eds geschmeidig, und Siphiwe Nyanda, Stabschef der ANC-Armee „Umkhonto we Sizwe“ und erster schwarzer General am Kap, infiltrierte bereits eine Duschkabine. Bald werden Ex-Guerillas das Dampfbad stürmen, „Comrades“ im Chlor-Pool Formationen schwimmen und Zulukämpfer ihren Bizeps an High-Tech-Kraftmaschinen tonen. Und die arme kleine weiße Minderheit? Weitsichtig eröffnete Old Eds Filialen in Sydney und am Picadilly Circus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen