: Unterm Strich
Kreisch. Ein Schrei geht durchs Pop-Feuilleton, denn sie kommt, wenn auch nur zu einem einzigen Gastspiel: Amy Grant stellt am 19. September ihre neue CD „House of Love“ in Hamburg vor. Der Vorgänger hatte sich allein in den USA fünfmillionenmal verkauft, und fünf Single-Auskopplungen schafften den Sprung in die Top-Five der regulären Charts. Nur, wer ist eigentlich Amy Grant? Die Frau von Eddy? Die Mutter von Lou? Die Schwester von Hugh? Alles falsch. Amy ist Vertreterin der Sacro-Popszene, einer weltlichen Fassung religiöser Themen. Dort kümmert man sich um so dringliche Fragen wie der, ob die moderne Frau in Lederschürze zur Lichtmess darf. Gesungen wird sonntagmorgens auf Super Channel.
Auch Shane „Zahnlos“ MacGowan hat sich eine Band mit Verweis auf die Kirchengeschichte hinter dem Pop-Appeal zugelegt: Die Gruppe heißt „The Popes“, und so ganz haarscharf dämmert's dann schon, daß das auch als klitzekleine augenzwinkernde Anspielung auf seine frühere Band „The Pogues“ zu deuten wäre. Von den „Nipple Erectors“ ganz zu schweigen. Auf dem Cover seiner neuen LP posiert MacGowan übrigens nicht in strahlend weißer Soutane beim Urbi et orbi, sondern als Christus am Kreuz. Das rechte Outfit wird dem noch ein wenig vom Alkoholkonsum („14 Tage sind zu kurz, um alles zu vertrinken“) verwirrten Mann die Plattenfirma dann rechtzeitig zur Tournee nähen. Auf der LP war allerdings auch Johnny Depp zu Gast, und der ist ja erst mal wegen irgendwelcher Substanzen festgenommen worden, als er sein Hotelzimmer verwüstete (wovon die Wahrheit gestern berichtete). Vielleicht bekommt das geflügelte Wort vom „Möglicherweise-berauscht“- Sein ja gar eine außerweltliche Dimension, und MacGowan und Depp haben schon immer nur zu tief ins Weihwasserbecken geguckt. Wie sangen noch Culture Club – „Church of the poisoned mind“.
An den Gänsefüßchen sollt ihr sie erkennen. Beste dpa-Ticker-Überschrift heute: „Germanisten auf Sinnsuche – Fragezeichen säumen ihren Weg“. Beim Ausrufezeichen biegen Sie dann rechts ab, umfahren den Zirkonflex bis zum Gedankenstrich, und von da kommen Sie direkt auf den Datenhighway ...
Womit wir bereits bei der Frankfurter Buchmesse wären, die vom 5. bis zum 10. Oktober stattfinden wird und in diesem Jahr auf Elektronik setzt. „Die Entwicklung der papierlosen Informationsträger gewinnt in rasanter Geschwindigkeit Bedeutung für die Branche“, so Messedirektor Peter Weidhaas. Vergessen also die Zeit, da Papier noch geduldig war. Außerdem dürfe der Blick für die Menschen und Kulturen des Südens nicht verlorengehen, meinte der Messechef. Deshalb will man nach dem Muster des Ost- West-Treffpunkts 1995 ein „Nord-Süd-Zentrum“ einrichten. Wahrscheinlich wird man bis dahin die ganze oral kultivierte Mischpoke über Internet abrufen ...
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