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Sommer

■ Fanny Müller - Die 21. Geschichte von Frau K.

Eigentlich hatte ich es für eine gute Idee gehalten, den Sommer in Hamburg zu verbringen, wenn die anderen Idioten alle unterwegs sind. Fakt ist aber, daß die, die jetzt von rechts wegen in Bangkok Kinder schänden und in Südfrankreich Waldbrände legen sollten, zu Hause geblieben sind. Und Parties veranstalten. Jeden Abend. Bei mir nebenan, unten im Garten. Ich weiß überhaupt nicht, was die zu feiern haben. Ich jedenfalls erinnere mich an keinen Zeitpunkt meines Lebens, an dem ich Anlaß gehabt hätte, mich drei Tage hintereinander zu amüsieren. Drei Monate Sack und Asche, das schon eher.

Allmählich finde ich zu meinem Gott zurück, man muß ja irgendwann mal schlafen. „Herr, laß es regnen“, heißt die Devise. Das nützt natürlich nichts. Aber was sonst? Die Bullen rufen? Das würde meiner Weltanschauung diametral entgegenstehen (Pullezei, Nackedei, auf der Straße liegt ein Ei). Außerdem war man ja auch mal jung. Allerdings nicht so jung, um achtmal hintereinander „Sei nicht traurig, Susann, es fängt alles erst an“ zu grölen. Frau K. schläft jetzt auch schon nach vorne raus, obwohl da zwischen zwei und vier Uhr morgens die Punks ihre 25 Köter spazieren führen und gerne mal so aus Bock einen einzigen Knochen in die Mitte schmeißen. Frau K. hat mir heute morgen einen Prospekt von Rainbow Tours vor die Tür gelegt. 10 Tage heiße Beach Parties auf Korsika. Mit Ulf und Roland, bis der Arzt kommt. Inclusive Flirt-Kurs. Da bleibe ich doch besser zu Hause und warte, bis der Briefträger kommt. Dieser Meinung ist dann auch Frau K. „Sie sind ja jetzt langsam in dem Alter“, sagt sie.

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