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Die Scouts bringen das Ei nur ins Rollen

■ Die Sportartikelfirma adidas hat den Trend der Zeit erkannt und erfolgreich ein neues Lebensgefühl vermarktet / Trend-Pfadfinder suchen, was in der Szene in oder out ist

Werbefachmann Stefan Mauerer aus München ist überzeugt, daß das Ei vor dem Huhn da war. „Wir spüren nur die Trends auf, die es schon gibt.“ Die Leute seiner Agentur gelten als Spezialisten, wenn es darum geht, festzustellen, was „hip“ ist bei den Jugendlichen. Den Trendmarkt vergleicht er mit einem Bahnhof: Man muß nur beobachten, in welche Richtung ein Zug rollt, und ihn nur noch anschubsen. „Launchen“ heißt das im Fachjargon. Bei Streetball hat es funktioniert.

Die deutsche Sportartikelfirma adidas ist auf den Trendzug aufgesprungen und bewegt sich jetzt mit Schallgeschwindigkeit in Richtung höherer Marktanteile und Imagegewinn. Seit zwei Jahren sponsert und organisiert die Firma mit den drei Streifen große Streetball- „Events“ quer durch ganz Europa. „Sport hat viel mit Lifestyle zu tun“, verkünden sie und liefern Streetball mit dem dazugehörigen Lebensgefühl, den Klamotten, den Schuhen, passenden Körben, Bällen und jeder Menge Krimskrams. „Die Marke positiv erleben“ ist das Schlagwort in der laut Drei-Streifen-Firma größten Werbekampagne der letzten 15 Jahre. Das Ziel, ihr altes verstaubtes Image zu einem jugendlich-witzigen, „im Zeichen der Zeit“ stehenden aufzumöbeln, ist erreicht: Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts „Psyma“ finden mittlerweile über 50 Prozent der Jugendlichen die Marke wieder „modischer, aktueller und exklusiver“. Und Imagegewinn zahlt sich aus. Mit einem Kampagnenaufwand von mehreren Millionen Mark konnten die Frankenländer ihren Marktanteil in Deutschland von 32 auf 35 Prozent steigern. Damit sind sie doppelt so groß wie die Amikonkurrenz „Nike“ und „Reebok“.

Im Dickicht des Werbegetümmels wird es immer wichtiger, Trends sofort aufzuspüren. Wer die Nase nicht vorn hat, ist out. Aber wie findet eine Agentur die Trends, die den Firmen zum großen Geld verhelfen? Die Trendagentur Häberlein & Mauerer hat dafür einen regelrechten Trendnachrichtendienst aufgebaut. Zwölf Agenten, genannt „Scouts“, schreiben monatliche Berichte über das, was in den Metropolen angesagt ist: Auf welche Musik steht die Jugend, auf welchen Partys wird was getanzt, worüber wird gesprochen, und welche Klamotten sind „in“?

Die Jugend ist heiß umkämpft. Die Turnschuhkonkurrenz aus Übersee wirbt im Fernsehen schon länger mit Basketball-Stars. Massen an HipHop-Videos, die Helden der amerikanischen Basketball-Profiliga (NBA) und Europameister Deutschland heizten per Röhre das Korbfieber an.

Ralf Vollbrecht, Medienpädagoge an der Universität Bielefeld, erklärt den Umschwung der Werbeformen mit der Tatsache, daß Teenies zwischen vierzehn und achtzehn Jahren mit TV-Werbung nicht mehr so leicht zu erreichen sind, sowieso nicht soviel Fernsehen gucken und lieber auf die Straße gehen. Also geht die Branche den Kids hinterher und veranstaltet Ereignisse wie die Streetball-Challenge-Tour. Fun, Fun, Fun, begleitet von den drei Streifen. „Dialog-Kommunikation“ ist das Stichwort. „Man erreicht die Kids am besten da, wo sie eh sind – auf der Straße“, haben auch die Turnschuhfabrikanten aus Herzogenaurach erkannt, „anders als durch solche Lifestyle-Kampagnen kommt man an die gar nicht mehr ran“. Für Medienpädagoge Vollbrecht unter Marketinggesichtspunkten „eine clevere Kampagne“, aber auch bedenklich, „weil so Werbung immer verhaltensbestimmender wirkt“.

Allerdings nur, wenn der Trend nicht zu offensichtlich im Reagenzglas gezüchtet wurde. Versuche des Sportartikelherstellers „Puma“, mit einem „Street-Soccer-Cup“ das Streetballfieber auf den urdeutschen Fußball zu übertragen, waren weniger erfolgreich. Schmuddeliges Ambiente in ausgedienten Industriehallen mit HipHop-Musik und funky Outfit, das paßt eben nicht zu Fußball. Die große Trendbewegung blieb aus. Patricia Pantel/Sven Christian

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