: Im Reich der Tiere
Augsburger Panther – Mad Dogs München 1:6 / Der DEL droht die Zweiklassengesellschaft ■ Aus Augsburg Markus Götting
Um seinen Job war Gunnar Leidborg nicht zu beneiden. Die Hände vor die Augen haltend, wandte er sich ab. Der Übungsleiter der Augsburger Panther wollte einfach nicht mehr mitansehen, wie seine Schützlinge all das so plötzlich vergessen konnten, was er ihnen Jahr für Jahr, tagaus, tagein, geduldbeflissen beigebracht hatte: das Toreschießen. Wie's geht, machte ihnen der deutsche Eishockey-Meister vor, die „Mad Dogs“ aus München, die knapp 60 Kilometer weit die Autobahn A 8 Richtung Nordwesten gefahren waren, um dem Neuling der Beletage mal eben eine brachiale 6:1-Klatsche zu geben.
„Die neuen Mannschaften müssen erst mal sehen, wo sie sportlich überhaupt stehen, die Augsburger hatten zu viel Respekt“, dozierte Dieter Hegen, international erfahrener Angestellter der „verrückten Hunde“, aber da hatten sich die Novizen schon in ihrer Kabine verkrochen, keinen Gedanken daran verschwendend, zur Ehrenrunde an die Stätte der ernüchternden Lektion zurückzukehren. Daß sie dies dann doch noch taten, waren sie ihren Fans schuldig, jenen Jungs und Mädels auf der Tribüne, die trotz 1:5-Rückstand eine Viertelstunde lang im Metzgersopran immer wieder die gleichen drei Worte grölten („Olé, super AEV“), das finale 1:6 anscheinend gar nicht zur Kenntnis nahmen und die Männer auf den dünnen Kufen feierten, als seien diese gerade deutscher Meister geworden.
Soweit wird es vermutlich nicht kommen, der Titelträger hat die Verhältnisse klargestellt. Aber beide Trainer waren sich einig: das Ergebnis entspräche nicht dem Spielverlauf. Augsburg habe es schlicht versäumt, seine Chancen zu nutzen. „Die Panther haben fast genauso oft aufs Tor geschossen wie wir“, stellte Münchens Coach Robert Murdoch fest.
Wohl wahr – dennoch scheint das deutliche Resultat alljene Kritiker zu bestätigen, die dem neugegründeten alemannischen Pendant zur US-Profiliga, dieser erschöpfend diskutierten Deutschen Eishockey-Liga mit der kernigen Kurzformel DEL, eine Zweiklassengesellschaft prognostiziert haben: Oben die traditionell erfolgreichen, etablierten Klubs, die einzig gegen ihre Schulden kämpfen (wie etwa München und Köln), unten die Neulinge, die allenfalls finanz-konzeptionell, wenn schon nicht personell die Eliteliga-Tauglichkeit besitzen; mit Nobodys in ihren Reihen zu Punktelieferanten degradiert. Und alsbald könnten sich die Befürchtungen der Skeptiker bewahrheiten: Leere Stadien, leere Kassen – als Konsequenz des ungleichen Spiels.
Abwarten heißt die Devise bei den Wirtschaftsunternehmen, jenen Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung, die dereinst Sportvereine waren. Monetär marodiert, aufgrund finanzieller Experimente verantwortungsloser Manager, hatten sie selbst den Neuanfang erzwungen – und letztlich auch in ihrer Mehrheit erwünscht. Mit Tiernamen bezeichnen sich seit der wirtschaftsrechtlichen Transformation die Mannschaften, symbolisch für den endgültigen Bruch mit der Vergangenheit. Neue Wege werden gesucht und gefunden.
Beispiel Augsburg, DEL-Franchise-Nehmer, wie das jetzt heißt: Bei den Bavaria-Schwaben konnte zum Saisonauftakt nur dabeisein, wer zuvor ein Ticket in der Hamburger-Braterei eines multinationalen Junkfood-Konzerns erstanden hatte. Ein Billet für die Panther, garniert mit Big Macs und fettigen Pommes. „Für uns ist der Exklusiv-Verkauf der Eintrittskarten an einen Werbepartner eine zusätzliche Einnahmequelle“, sagt Klaus Böller, Marketingbeauftragter der Augsburger Panther Eishockey GmbH. Daß dabei die Fast-food-Kette mit den begehrten Tickets machen kann, was sie möchte, ist „part of the deal“: „Die Freiheiten müssen wir dem Partner schon gewähren.“
Immerhin, so betont auch Annemarie Moser, bei dem „etwas anderen Restaurant“ als Repräsentantin für den Bereich Augsburg beschäftigt, habe ihr Arbeitgeber dem AEV in Zeiten der Not – vulgo: nach der Pleite von 1987 – wieder auf die Kufen geholfen. „Das war mal ein Testlauf, über eine Fortsetzung dieser Art der Zusammenarbeit wird demnächst auf höherer Unternehmensebene entschieden“, resümiert Frau Moser in dem Wissen, daß zwar die intendierten Werbeeffekte erreicht, nicht aber zusätzliche Fleischküchlein verkauft wurden.
Den Durchschnittsfan wird's eh kaum interessieren, ob er nun an der Geschäftsstelle in der Warteschlange steht oder zwischen Milk-Shakes und Chef-Salaten. Solange er noch fröhlich singt, der Augsburger Eishockey-Anhänger, auch wenn seinem Team wieder mal das Eis wegschmilzt, ist die Welt in Ordnung. Ganz getreu dem früheren Werbesong: „Wo du gern bist, weil man gut ißt – bei den Panthern“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen