■ Das Portrait: Moana Pozzi
Die Nachricht über ihren Tod ist für die italienischen Zeitungen mindestens ebenso bedeutsam wie diejenige über den Tod des Jahrhundertphilosophen Karl Popper. „Moana Pozzi gestorben, die Intellektuelle unter den Porno-Diven“, titelt die L'Unita. Nur 32 Jahre alt, ist Italiens neben „Cicciolina“ bekannteste, vor allem aber geliebteste Erotikdarstellerin gestorben. Todesursache war Leberkrebs und nicht, wie böse Stimmen behaupten, Aids.
Aufgewachsen in großbürgerlichem Hause, Klosterschülerin, Tochter einer überaus sozial engagierten Familie, versuchte Moana nicht nur Vorlagen für Voyeure zu liefern, sondern Liebe auch über den Geist und nicht nur über die Schwankungen des Hormonspiegels zu versinnlichen. Was Cicciolina mehr mit blanker Rubbelei und verqueren Stellungen darbot, kompensierte die Pozzi mit ästhetischer Darbietung, die nie auch nur den Hauch von Gewalt oder obszöner Spannung aufkommen ließ. Ausgebildet auch im klassischen und im Jazz-Tanz, spielte sie auf der Bühne mit herrlicher Doppelbödigkeit Rollen, die ihr niemand zutraute, riß ganze Nachtlokale mit ihren hintergründigen Andeutungen vom Hocker, moderierte Fernsehsendungen — und stieß dabei dann jeweils auf Italiens Busenstar ist totFoto: taz-Archiv
den einzigen ernsthaften Gegner, den Verband italienischer Hausfrauen. Die sorgten dann dafür, daß sie nicht mehr vollkommen nackt moderieren durfte — was sie mit Kriegsbildern und Fotos von Politikern quittierte: „Das sind die Obszönitäten unserer Welt, liebe Geschlechtsgenossinnen, nicht mein nackter Busen.“
Sie hat nie gegen Etikettierungen rebelliert, doch immer wenn die Journaille glaubte, sie in eine Ecke manövriert zu haben, gelang es ihr auszureißen. Vor zwei Jahren suchte sie sogar mit einer eigenen Partei (Partito dell'amore) in die Politik einzusteigen. Das gelang nicht, Cicciolina, die 1987 Abgeordnete wurde, hatte das Terrain schon weitgehend erschöpft. Ein Buch über ihr Leben schildert zwerchfellerschütternde Episoden mit Politikern und Schauspielern, Regisseuren und Beamten. Doch gerade der Skandal, den viele erhofft hatten, scheiterte wieder einmal an der wunderbaren Ironie. Sie vernebelte den Schlußteil dermaßen, daß die Betthüpfer austauschbar wurden. Vor allem wenn sie sie hinausgeworfen hatte, weil „die famosen VIPs halt immer wieder Liebe mit Sex und Zärtlichkeit mit Vögeln verwechselt haben“. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen