: Gefühle und Avantgarde
■ Lokalpatriotische Filmfest-Höhepunkte: Sirk-Reihe und Focus Hamburg
Am nächsten Mittwoch wird das Filmfest Hamburg 1994 mit Spike Lees neuem Film Crooklyn eröffnet und endet am 3. Oktober mit The road to Wellville von Alan Parker. So weit stehen also die formalen Begrenzungen fest, fragt sich nur was mittendrin passieren wird. Natürlich werden die großen Namen im Vordergrund stehen – wie Oliver Stone mit seinen umstrittenen und unbestreitbar diskutierbedürftigen Natural born killers.
Das eigentlich Spannende ist jedoch oftmals jenes, was nicht gleich von Beginn an strahlt und sofort ins Auge springt. Zum Beispiel die verschiedenen Themenreihen, „ohne die ein Filmfest keines ist“, wie der Festivalleiter Gerhard von Halem unlängst feststellte. Aus Hamburger Sicht sind dabei zwei Schwerpunkte besonders interessant: Die Hommage Douglas Sirk und Focus Hamburg.
Als Detlef Sierck vor bald einhundert Jahren in Eimsbüttel geboren, erlangte der Hamburger Jung erst nach seiner Emigration in die USA Weltruhm. Seine in den 50er-Jahren in Hollywood entstandenen Melodrame (Magnificent Obessession oder Written in the wind), man darf ruhig Schnulzen sagen, ohne daß es abfällig gemeint wäre, seine gefühlsbetonten Filme also wurden von einem Massenpublikum gesehen – sie waren auch dafür gemacht. Eine Tatsache, die lange – und gerade in seinem Heimatland – für verdammenswert erachtet wurde.
In Deutschland ernstgenommen wurde Sirk, der auch für die Ufa gedreht hatte (La Habanera), erst viel später. Sein größter Verehrer war Rainer Werner Fassbinder, was bei Lili Marleen unschwer zu erkennen ist. Auch deshalb wird dieser Film innerhalb der Sirk-Reihe gezeigt werden. Eher auf der Suche nach der kunsthistorischen Bedeutung der Sirk'schen Filme ist ein Symposium, welches am 1. Oktober ab 10 Uhr in der Evangelischen Akademie Nordelbien stattfindet. Den Abschluß bildet um 20.15 Uhr die Vorführung von Magnificent Obesession im Metropolis.
Statt um große (und zuweilen auch falsche) Gefühle geht es in Focus Hamburg eher nüchtern zu, was verglichen mit den emotionstriefenden Schinken von Sirk auch nicht weiter verwunderlich ist. Im Mittelpunkt steht, ob sie es will oder nicht, die Hamburger Filmförderung, die, so heißt es auch im Programmheft, „Flagge zeigen will“. Dafür, daß nicht permanent SOS signalisiert werden muß, werden Regisseure wie Peter Sempel und Claus Strobel sorgen. Sempel ist mit Jonas in the desert im Programm, ein (Porträt)film, der sich ausschließlich dem Avantgarde-Filmer Jonas Mekas widmet. Mit dabei und schwer am hommagierenden Huldigen sind (in einzelnen Szenen) Blixa Bargeld, Nick Cave und Martin Scorsesee. Mit Sicherheit auch, aber ganz anders spektakulär: Let's talk about sex, an dem Monika Treut beteiligt ist.
Clemens Gerlach
Die genauen Termine und Spielorte entnehmen Sie bitte dem Programmheft.
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