: Sanfte Wolke – Konkrete Kunst?
■ Kunsthaus: „Farbe im Quadrat“ liefert eine unscharfe Sicht Konkreter Kunst
Die utopische Rationalität ist nicht mehr so angesagt, ein bißchen bunter darf's heute schon sein. Der ultimativen Position des „Schwarzen Quadrats“ von Malewitsch stellt der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) das Thema Farbe im Quadrat entgegen. Im Zentrum seiner aktuellen Ausstellung im Kunsthaus liegt dennoch Schwarzes im Quadrat: Mareile Schröder hat eine düstere Reihung von Papierhaufen quadratisch angeordnet. Die Blätter sind durch das Feuer der Geschichte gegangen und bilden nun ein wohlgeordnetes, doch nutzloses Archiv. Gestern ist heute heißt die Arbeit, die den revolutionären Aufbruch der Konstruktiven Kunst zu einem kunstgeschichtlich als Vanitas bezeichneten Bild der Vergeblichkeit umdeutet.
Nicht über Zeit, sondern durch den Blickwinkel löst Tim Kubach die diktatorischen Grenzen des Quadrats: Seine gelben Tafeln zeigen, daß die Perspektive auch den reinsten menschlichen Entwurf zu einer beliebigen Position verzerrt. Insgesamt umkreisen 31 Hamburger Künstler und Künstlerinnen das quadratische Thema zwischen der rationalen Forderung der Geometrie und dem emotionalen Fluß der Farben mit Enkaustik-Tafeln, Erdbildern und einem durchsichtigen Plexiglaswürfel.
Dem freien Spiel der Farbformen stülpt Katharina Duwe ein Quadrat über: natürliche Prozesse stoßen sich an ihm als der konstruiertesten Form überhaupt. Diese Konfrontation wird immer wieder formuliert, das Quadrat ist für die meisten nur der zwanghafte Rahmen in den sich selbst sanfte Wolken fügen müssen (Beate Rosenfeld). Daß mathematisch exakt berechnete Proportionen und extreme Farbkraft keine Widersprüche sein müssen, demonstrieren die herausragenden Bilder von Marlene Günther. Hier verbindet sich das Erbe der Konkreten Kunst mit den Kräften der Farbe, ohne daß der rechte Winkel je verlassen wird.
Die Räume am Klosterwall verkraften in schöner Hängung erstaunlicherweise eine so große Anzahl verschiedener Künstler, die praktisch jeden Geschmack bedienen. Und doch bleibt eine solche Ansammlung ein Problem: Der Titel suggeriert die Strenge der Konkreten Kunst – und keinesfalls solche Extreme wie bunte Gesichter, Pflanzenstudien auf quadratischer Leinwand oder naive Malerei wie von Annegret Deuker, die sich nicht einmal mehr in der Formatwahl dem Thema unterordnet. Es bleibt zu hoffen, daß nach dem großartigen Start mit durchweg hervorragenden Ausstellungen im Kunsthaus der Zwang, einen Titel zu finden, nicht in jene Beliebigkeit abrutscht, die dann auch Kuratoren-Ausstellungen unglaubhaft macht. Hajo Schiff
Kunsthaus, Klosterwall 15, Di-So 11-18 Uhr, Do bis 21 Uhr, bis 3. Oktober
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