: Eine Dreckschleuder von gestern
■ Die Müllverbrennungsanlage feiert heute ihr 25jähriges Jubiläum / Giftausstoß stark reduziert
So richtig in Feierstimmung war Umweltsenator Ralf Fücks nicht – immerhin gibt es ein „zwiespältiges Jubiläum“ zu begehen: 25 Jahre Müllverbrennungsanlage (MVA) Bremen. Nur zu gut erinnerte sich der grüne Senator an die Zeiten, in denen die MVA von Umweltgruppen und Grünen als „Dreckschleuder“ heftig bekämpft worden war. Diese Zeiten, so Fücks gestern, sind allerdings vorbei: Eine „Dreckschleuder“ sei die MVA nicht mehr, die Giftzähne seien ihr gezogen. Das war auch nötig: Denn der Termin zur Abschaltung der MVA, ursprünglich auf den 1.1.1997 festgelegt, kann nun auch offiziell nicht mehr eingehalten werden, der Betrieb geht erstmal weiter. Neues Zieldatum für eine moderne Abfallbehandlung ist nun das Jahr 2000.
Mit ihren 25 Jahren ist die Bremer MVA eine der ältesten in Deutschland. Täglich 1000 Tonnen Hausmüllabfall werden hier in vier großen Kesseln verheizt, mit einem kleinen Teil der anfallenden Wärme werden die benachbarten Gebäude von Universität und Technologiepark geheizt. Mit eindrucksvollen Zahlen belegen die BEB den Nutzen der vielgeschmähten Anlage: Wären die in der MVA verbrannten Abfälle in den letzten 25 Jahren deponiert statt verfeuert worden, so machten sie jetzt einen Berg von 100 mal 100 Metern Grundfläche und 600 Metern Höhe aus.
Mindestens ebenso beeindruckend ist aber auch die Bilanz des BUND zum Thema Schadstoffausstoß in 25 Jahren. Die UmweltschützerInnen rechnen vor, daß durch den Betrieb der MVA 30 Milliarden Kubikmeter Abgas entstanden sind. Außerdem seien „6000 Tonnen Schwefeldioxid, 6000 Tonen Salzsäure, 15 Tonnen Quecksilber, 10 Tonnen Cadmium, 1000 Tonnen Blei, 7 Tonnen Chlorphenol, 3 Tonnen Chlorbenzol, 4,4 Kilogramm Dioxine und Furane in die Großraumdeponie Atmosphäre verbracht worden.“ Der BUND sieht daher eher Anlaß, die MVA zu schließen, statt sie zu feiern, denn die Müllverbrennung, so der BUND, war auch in Bremen „lange Zeit ein Spiel mit dem Feuer.“
In der Tat: Den größten Teil ihres bisherigen Lebens hat die MVA den Schornstein qualmen lassen. Zwar gab es seit Betriebsbeginn einen Elektrofilter, der den Staub aus dem Abgas herauszog, doch erst nach 20 Jahren Betrieb wurde eine Rauchgaswäsche eingeführt. Die Anlage sei aber immer nach den bestehenden Gesetzen betrieben worden, betonte Richard Kluve von den BEB. Seit einem Jahr werden über die „Dioxin-Minderungsstufe“ diese Gifte ausgeschieden, momentan läuft eine Testphase zur Entstickung. Das Resultat der insgesamt 40 Millionen Mark Investitionen in den Umweltschutz bei der MVA: Inzwischen kostet pro Tonne Abfall die Schadstoffentsorgung ebensoviel wie die Verbrennung.Insgesamt, so Fücks, ist der Schadstoffausstoß der MVA bei Chlor auf 5 Prozent, bei Schwefeldioxid auf 33 Prozent und bei Staub auf 50 Prozent verringert worden, Dioxin liegt nach letzten Messungen bei 0,07 Nanogramm pro Kubikmeter, wo früher 5 bis 15 Nanogramm gang und gäbe waren. Nach Messungen der Umweltbehörde hat das Dioxin in den Böden allerdings die Nahrungskette noch nicht erreicht. „Die Anlage dürfte ihren Ruf als Dreckschleuder verloren haben“, heißt es von den BEB.
Nicht ganz. Denn all das, betonte Fücks, solle kein „ökologisches Gütesiegel“ für die MVA sein. Trotz aller Verbesserungen fallen beim Betrieb der MVA jährlich 8000 Tonnen Sondermüll und 60.000 Tonnen Schlacke an. Ausserdem liegt der Energienutzungsgrad der Anlage bei der Gewinnung von Wärme bei nur 20 Prozent, wo moderne MVAs bereits 60 Prozent Wirkungsgrad erreichen. Das sieht auch Helmut Horn vom BUND so: „Die Feuerungstechnik ist nach 20 jahren veraltet und kaum noch nachzurüsten.“
Streit gibt es vor allem um das Nachfolgemodell für die MVA – die RABA. „Die könnte schon viel weiter sein, wenn man sich bei der Behörde ein bißchen mehr angestrengt hätte“, meint Horn. Für Fücks dagegen war das Datum 31.12.1997 zur ersatzlosen Schließung der MVA in der Koalitionsvereinbarung eine „blauäugige Prämisse“, die nicht mehr zu halten ist. „Es war eine Riesenkraftanstrengung der BEB, in vier bis fünf Jahren aus dem Stand ein Abfallwirtschaftssystem aufzubauen.“ Im November soll ein Zwischenbericht des zweiten RABA-Gutachtens vorliegen, das das Konzept auf Ökobilanz, technische Machbarkeit und Betriebswirtschaft abklopft. bpo / Foto: Heddinga
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