: Eine Art Gesundheits-Cocktail
■ „Los Angeles – Stimmen von innen“ (Sa., 20.40 Uhr, arte)
Wahrscheinlich gibt es überhaupt nur noch zwei Arten, sich South Central Los Angeles zu nähern: die Marsmenschenperspektive, also eine Art sympathisierende Ethnologie, oder etwas ganz ungeheuer Internes, was schon in Beverly Hills nicht mehr verständlich wäre. Auf keinen Fall dürfte man noch Soziologen an die Sache lassen und auf keinen Fall auch die gemeine CNN-Perspektive, für die nur infernalische Autobrände noch good news sind – von den Macho-Ghetto-Romanzen wie „New Jack City“ gar nicht mehr zu reden.
Komischerweise hat nun ein Dokumentarfilm, eine deutsch- amerikanische Koproduktion von Maxi Cohen, das Wunder vollbracht, sich zwischen all den Codes, die man schon kennt, hindurchzuschlängeln und eine Art Gesundheits-Cocktail daraus zu bereiten, der einem nicht mal übel aufstößt. Cohen hat sich – typisch übrigens für viele middle-class- Bürger von Los Angeles – entschlossen, diesen Bezirk South Central wie eine Gangrän zu behandeln: Man kann ihn nicht einfach rausschneiden, veröden, amputieren, sondern man muß Luft ranlassen. Sie hat sich sieben Leute geschnappt, die dort wohnen, hat ihnen einen Videokurs vermittelt und sie ein Porträt, ein verfilmtes Tagebuch, von ihren Peers, ihren Blocks machen lassen. Niemand außer Francisco hätte Zugang zu einem Burschen wie Clever gehabt, der in zwei Wochen dreimal angeschossen wurde („I feel like fuckin' Swiss cheese!“), der auf der Straße frohen Mutes ein Gras- Koks-Gemisch zu sich nimmt und der dieses eigentümlich entkatholisierte Latino-Weltbild zwischen den Zähnen hervorstößt.
Oder wie lächerlich hätte es ausgesehen, wenn wir, Sie oder ich, statt Diana Lee auf den kleinen schwarzen Macho eingeredet hätten, nicht zum nächsten großen Gang-Bang vor der Audobon School zu gehen. Sie lotst ihn statt dessen zu einem Friedens-Meeting der verfeindeten „Crips“ und der „Bloods“, auf dem unter anderem Ice-T redet. Natürlich rennt Dianas kleiner Macho anschließend doch noch zum großen Hauen und Stechen.
Für Ice-T interessierte sich auch der Beitrag der Koreaamerikanerin Juri Park. „Gerade in den Wochen nach den Riots kam dieser Song ,Black Korea‘ von Ice-T raus“, hat ein koreanischer Händler ihr erzählt. „Wir sind alle hin, um es zu kaufen, weil wir dachten, daß es dabei um Versöhnung geht, und dann? ,Wir schießen dir in deinen Chop-suey-Arsch.‘“ Bitterkeit, ein Liebeslied, die Beerdigung des Protagonisten Tony, ein paar Flirts, sogar eine Barbecue- Einlage beim Cop sind in diesem Film zu sehen, nach dem man plötzlich hauchzarten Optimismus verspürt. Mariam Niroumand
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