■ Licht & Schatten
: Bestätigte Ahnungen

Ronald Munson: „Fan mail“, Eichborn, 468 Seiten, geb., 39,80 DM

Der Briefroman ist eine alte literarische Form. Ein „Whodunnit“-Krimi, der ausschließlich aus Briefen, Faxen, Telefonmitschnitten, Mailbox-Botschaften, Anrufbeantworter-Nachrichten und Computernotizen besteht, ist neu. Die anfängliche Verwirrung legt sich schnell, denn Munson versteht es ausgezeichnet, aus diesem Notizensumpf Spannung aufsteigen zu lassen. Doch kaum ist der Thrill zu spüren, wird er wieder plattgemacht, denn die Geschichte ist eine alte und gar zu einfach gestrickt. Munsons Heldin ist die schöne, intelligente TV-Journalistin Joan Carpenter. Sie arbeitet in St. Louis als Co-Moderatorin von „Nightbeat“. Als ihre Einschaltquoten absacken und ein scharf formulierter Verriß der Sendung im Lokalblatt erscheint, bekommt sie ein bißchen Schützenhilfe von einem Psychopathen. Der irre Zuschauer nennt sich selbst „Wächter“ und rächt sich auf die unappetitlichste Weise an Joans Kritikern. Schon bald stellt sich heraus, daß der „Wächter“ ein Mensch aus der unmittelbaren Umgebung von Joan Carpenter sein muß. Wie in solchen Fällen üblich, präsentiert der Autor ein paar Verdächtige, legt ein paar falsche Fährten und läßt den Leser raten. Eine der Spuren ist allerdings so breit wie eine Autobahn und erweist sich leider als richtig. Keine Überraschungen. Nach dem ersten Drittel des Buches kannte ich den Mörder. Allerdings habe ich auch Tausende von Krimis gelesen und kenne die Tricks der Schreiber. Meine Freundin war sich erst im letzten Drittel ziemlich sicher, und ein Freund von uns, der kaum Krimis liest, wußte bis zum Showdown nicht Bescheid. Fazit: Ein Buch für Menschen, die noch nie etwas von Agatha Christie gehört haben und zärtliche Gefühle für ihr Faxgerät hegen.

Charles Higson: „Museum der geheimen Leidenschaften“, Bastei-Lübbe, 316 Seiten, 9,90 DM

Wenn berühmte Unterhaltungsschreiber ihren weniger bekannten Kollegen eine Werbespruch auf den Umschlag packen, sollte man das nicht allzu ernst nehmen. Stephen King zum Beispiel hält jeden zweiten Thriller für „das Aufregendste, was ich in letzter Zeit gelesen habe“. Wenn jedoch eine eher zurückhaltende Person wie Patricia Highsmith einen Krimi als „raffiniert und unwiderstehlich spannend“ bezeichnet, verdient dieses Buch unsere Aufmerksamkeit. Der Autor von „Museum der geheimen Leidenschaften“ (der Originaltitel „Happy now“ ist treffender) war Gründungsmitglied der englischen Rockgruppe „The Higsons“, bevor er Drehbuchschreiber und Romancier wurde. Über den Inhalt des Psychothrillers wird hier nichts verraten, nur soviel: Es geht um eine ungewöhnliche Obsession, um moderne Beziehungsprobleme und um den Sinn des Lebens, Zitat: „Ich glaube, ein Mann kann nur dann wahrhaft glücklich sein, wenn er voll und ganz begreift, wer und was er ist, und entsprechend handelt.“ Helden, Krimiklischees und seichte Dialoge sucht man vergeblich. Dafür ist die ganze Geschichte durchtränkt von diesem herrlichen, tiefschwarzen britischen Humor. Die Mordszene ist unübertrefflich. Patricia Highsmith hat recht!

David Mason: „Schatten über Babylon“, Blanvalet, 544 Seiten, geb., 44 DM

Noch 'n Golfkriegsroman – aber endlich mal ein richtiger pageturner. Ein Spezialistenteam wird von Privatleuten (hinter denen aber eine westeuropäische Regierung steht) für 10 Millionen Dollar angeheuert, um noch während der Golfkriegsvorbereitungen den bestbewachten Mann der Welt, Saddam Hussein, zu ermorden. Die Truppe schafft es, in den Irak einzudringen, doch dann bekommen CIA und MI5 Wind von der Sache und von ihren Vorgesetzten die Order: Attentat verhindern um jeden Preis! Das Debüt von David Mason, ausgebildeter Scharfschütze und Ex-Offizier, der in den 70er Jahren im Emirat Oman stationiert war, steckt voller ungewöhnlicher Wendungen, und der Schluß ist, obwohl etwas exzentrisch, ein absoluter Knaller. Das Buch wurde gleich nach Erscheinen in England mit Forsyth „Schakal“ verglichen, nicht zu Unrecht. Die im Kriminalroman gängige Technik, die Wege des anvisierten Opfers und des Täters in einer immer enger geschnittenen Montage aufeinander zulaufen zu lassen, bis sie sich im Finale schließlich kreuzen, wurde nach dem „Schakal“ selten so raffiniert in Szene gesetzt. Wer den Golfkrieg als Thrillerhintergrund mag, ist mit „Schatten über Babylon“ besser bedient als mit Forsyth geschwätziger „Faust Gottes“. Karl Wegmann