„Verfahren leiden unter Einseitigkeit“

■ Wieder sollen Polizisten einen Ausländer verprügelt haben / Erneut handelte Staatsanwaltschaft Vorwürfe im Geheimverfahren ab Von Kai von Appen

Erneut schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Staatsanwaltschaft: Wieder hat Staatsanwältin Monika Zippel ein Verfahren gegen Polizisten des Lerchenstraßen-Reviers, die einen Ausländer mißhandelt haben sollen, eingestellt, ohne dem Anwalt des Betroffenen Manfred Getzmann Akteneinsicht und rechtliches Gehör gewährt zu haben. Paralellen zum Fall Dialle D. drängen sich auf, der unter anderem zum Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann geführt hat. Getzmann: „Frau Zippel muß aus dieser Abteilung entfernt werden.“

0Der Vorfall hatte sich Ende Mai im Karolinenviertel zugetragen. Nach Polizeiangaben war der vorbestrafte 38jährige Roma in eine Schlägerei verwickelt und dann von der Polizei gestellt und festgenommen worden. Getzmann: „Mein Mandant ist am 24. Mai bei mir erschienen, war sichtlich schwer gekennzeichnet und gab an, von Polizisten mißhandelt worden zu sein.“

Getzmann nahm die Verletzungen, die dem Roma nach eigenen Angaben im Lerchenstraßen-Revier durch fünf Beamte zugefügt worden sind, zum Anlaß, den Vorfall sogleich der „PS 3“ (Dienststelle zur Ermittlung von Beamtendelikten) zu melden. „Mein Mandant erschien noch am gleichen Tag dort, seine Anzeige und seine Aussage wurde von PS 3 aufgenommen,“ so Getzmann. Zwei Tage danach beantragte der Anwalt Akteneinsicht. Im Juli teilte PS 3 mit, daß die Staatsanwaltschaft das Verfahren übernommen habe und sein Begehren weitergeleitet worden sei. Mitte September mahnte der Jurist erneut die Akten an. Wenige Tage später, am 21. September, fiel er aus allen Wolken, als ihm ein Einstellungsbescheid, datiert vom 1. August, ins Haus flatterte. Getzmann: „Es muß davon ausgegangen werden, daß hier wie im Falle Dialle D. nun wirklich nicht von einem Versehen ausgegangen werden kann, sondern von einer andauernden Praxis, die das Ziel hat, Geschädigten Rechte im Verfahren gegen Polizeibeamte abzuschneiden.“

Getzmann hat daher – wie der Anwalt von Dialle D., der Staatsanwältin Zippel Strafvereitelung im Amt vorwirft, weil sie das Verfahren gegen die zwei rassistischen Prügelpolizisten per Strafbefehl abgewickelt hatte –, bei Justizsenator Klaus Hardrath Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt. O-Ton: „Ich gestatte mir höflichst die Vermutung, daß entweder hierin ein System dahingehend zu sehen ist, straffällige Polizisten in derartigen Fällen zu begünstigen, oder aber die Oberstaatsanwältin rassistische Vorurteile hegt gegen Schwarze, Roma und insofern die Verfahren unter tiefer Einseitigkeit leiden.“

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rüdiger Bagger weist die Vorwürfe zurück: „Die Sache ist völlig korrekt abgelaufen“, so Bagger. „Herr Getzmann hatte Akteneinsicht nach Abschluß der Ermittlungen beantragt. Und die waren mit der Einstellungsverfügung abgeschlossen.“ Anwalt Getzmann kontert: „Absoluter Quatsch! Ich wollte nach Abschluß der Ermittlungen und nicht nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens – und das ist ein gravierender Unterschied – Akteneinsicht gewährt bekommen.“

Bagger räumt allerdings ein, daß diese Sichtweise nicht absulut „abwegig“ sei und daß die Behördenleitung mittlerweile dazu „neigt“, Akteneinsicht zu gewähren, „bevor der Bescheid rausgeht“. Bagger: „Dem Verletzten sind aber keine Rechte beschnitten worden, er kann ja in die Beschwerde gehen.“ Auch die Justizbehörde kündigte eine Überprüfung der Vorwürfe an.