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Auch Strafgefangene haben das Recht zu fluchen

■ BVerfG stärkt Recht auf freie Meinung

Karlsruhe (dpa) – Beleidigt ein Strafgefangener in Briefen seine Richter, so gilt auch für ihn der Schutz des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem gestern veröffentlichten Beschluß zum wiederholten Male eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg aufgehoben, nach der ein Brief eines Strafgefangenen wegen beleidigender Äußerungen zurückgehalten worden war. Es könne nicht Aufgabe des Strafvollzugs sein, Häftlinge in einem Bereich zur Mäßigung zu „,erziehen‘, in dem andere straflos ihrer Wut und Verärgerung auch mit harschen Worten Ausdruck verleihen dürfen“, so die Karlsruher Richter (Aktenzeichen: 2 BvR 291/94).

Der Beschwerdeführer hatte 1991 in einem Brief das Oberlandesgericht Nürnberg als „Reichsparteitags-OLG“ bezeichnet. In dem Beschluß wird die Befürchtung geäußert, daß der Strafsenat in Verfahren wie dem vorliegenden der Bedeutung der Grundrechte – insbesondere der Meinungsfreiheit – nicht ausreichend gerecht wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiere auch Strafgefangenen einen Freiraum, in dem sie Emotionen und Wertungen rückhaltlos ausdrücken könnten, ohne sich staatlichen Sanktionen auszusetzen. Der Erste Senat hatte bereits am 26. April der Beschwerde einer wegen Beleidigung verurteilten Jurastudentin recht gegeben, die ihren einsitzenden Bruder aufgefordert hatte, nicht zu vergessen, daß er es fast ausschließlich mit „Kretins“ zu tun habe, die „auf Beförderung geil sind oder ganz einfach Perverse sind“. Mit ihren Äußerungen hatten sich damals sieben Gerichte befaßt.

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