Der Kuhfilm

■ „Vacas“ von Julio Medem im Eiszeit-Kino

Zärtlich streichelt die Kamera die Kuh vom mampfenden Maul bis zum Schwanz, um pünktlich hinten anzukommen. Gelassen platscht der Fladen ins Bild. Der wiederkäuende Verdauungsvorgang des gutmütigen Tieres wird in Julio Medems Regiedebüt „Vacas“ zur Metapher der Historie. Über drei Jahrzehnte verfolgte er die Chronik der verfeindeten Familien Meniluze und Iriguibel. Und was gewesen war, wird wiederkommen. Der Enkel des Feiglings ist wieder ein Hasenfuß, so daß der Großvater getrost seinen eigenen Enkel spielen kann. Die Kriege sind auch nicht so einmalig, wie sie dem Soldaten im Schützengraben erscheinen. Geschickt jagt der spanische Filmemacher durch die Jahrzehnte, Kamerafahrten durchs Innere der Kuh lassen die Eingeweide der flotzmäuligen (Lexikon) Eutertiere zum Raum-Zeit- Kontinuum werden.

Drei Konstanten halten das kühische Werk zusammen. Die erste: Lustvoll räkelt sich die Kamera und mit ihr die Protagonisten im saftig-dampfenden Grün des Waldes, der die beiden Feindeshäuser voneinander trennt und verbindet. Doch nicht nur uneheliche Nachfahren werden hier gezeugt, der Hain wird zum mystischen Ort und erinnert in seiner Verhextheit an den bösen Berg aus Peter Weirs „Picknick am Valentinstag“. Brennende Löcher sowie hinterlistige Tierfallen sorgen für eine nicht unerhebliche Spannung und befördern den Film streckenweise ins Fantasy-Genre. Zweitens: Über die Nationalsportart der Basken wird der Wald wieder entdämonisiert, liefert er doch die Bäume für das Training zum traditionellen Hackwettbewerb. Aus der Froschperspektive beobachtet man die Mannen während ihrer Wettkampfvorbereitung. Ein von unten aufgenommener dicker Zeh (gepflegt) füllt einen Großteil des Bildes aus, in rhythmischen Abständen saust die Axt knapp am Fußnagel vorbei. Scheite wirbeln durch die Luft, freudig erkennt man das Zitat. Im äffischen Anfang von „2001“ flog einst ein Knochen in ähnlich schwindelerregende Höhen. Drittens: der Großvater. Über die Kriegswirren wahnsinnig geworden, sind sein einziger Lebensinhalt die niedliche Enkelin und die Muhkuh des Hofes. Tagein, tagaus porträtiert er das kauende Tier samt Fladen. Schließlich erkennt man die Geschichte endgültig als viehischen Prozeß der ewigen Vorverdauung. Aus dem Pansen der Historie wird der spanische Bürgerkrieg zum wiederholten Male in die Gegenwart gewürgt. Diesmal schauen die Enkel in die Gewehrläufe. Und nur die Kuh ward Zeuge. Anke Leweke

„Vacas“ von Julio Medem im „Eiszeit“ in der Zeughofstraße 20 in Kreuzberg, täglich um 21 Uhr.