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Neue Köche

■ Das arte-Magazin "Transit" mit "Nouvelle formule"

Die Nouvelle formule, jene neue Rezeptur, mit der das arte-Magazin „Transit“ von heute an jeden Dienstag zur Prime Time auftritt, läßt Grundsätzliches erkennen: Befreiung vom Gutabgehangenen, mit dem man sich viel zu lange hat zuschmeißen lassen. Abschied von der tödlichen Verwechslung, daß talking heads zwingend Eloquenz verbreiteten. Die Herrscher der Fernbedienung wissen das längst besser.

Der neue „Transit“-Mann Pierre Thivolet offenbar auch. Der hat, wie die Franzosen sagen, schon „viele Farben gesehen“: nach dem Wirtschaftsstudium samt Promotion sammelte er reichlich Auslandserfahrung in USA, Lateinamerika und Deutschland. Und erlernte sein Handwerk: als Korrespondent (Le Monde, Le Point), Auslands-Reporter (Radio Suisse Romande, Radio France International, TF1) und als TV-Nachrichten-Chef (TF1, La Chaîne Info). Seine „Transit“-Handschrift: „aktuelle Dauerbrenner“ kritisch ausgeleuchtet, vor allem aber journalistisch angefaßt.

Eigene Reportagen und aktuelle Produktionen sollen langatmige Allgemeinanalysen ersetzen. Statt Nabelschau und Endlos-Monologe will er frische Recherchen bieten, den „dritten Blick“ ausländischer Kollegen, Direktschaltungen, Konfrontationen.

Betonung auf dem Fragezeichen

Das ehrgeizige Programm beginnt heute mit dem Thema „Humanitäre Hilfe: Zum Wohl der Menschheit?“ Die Betonung liegt auf dem Fragezeichen. Wem war die (Militär-)Aktion „Restore Hope“ in Somalia tatsächlich von Nutzen? Oder Ruanda, wo eine nigerianische Journalistin, aber auch Schüler von „Jugend ohne Grenzen“ Fragen stellen. In Direktkonfrontation: Bernard Kouchner, Begründer der „Médecins du Monde“ und bis zum Regierungswechsel 1992 in Frankreich Gesundheitsminister, mit Menschen- Helfer Karlheinz Böhm.

Und natürlich fragt Thivolet in der Woche vor der Bundestagswahl nach der Rolle von Groß- Kohl-Land: „Deutschland überall?“ Financial Times-Mann David Marsh blickt hinter die Kulissen der deutschen Wirtschaft, der Österreicher Roland Adrowitzer (ORF) auf die Macht am Rhein, und die einstigen Amtskollegen Hans-Dietrich Genscher und Roland Dumas live auf die Folgen der Wiedervereinigung.

Anscheinend will Thivolet mit seiner Nouvelle formule zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sein runderneuertes „Transit“ erinnert an das seit langem als arte- Neuheit angekündigte „erste akutelle, multinationale, mehrsprachige Kultur-Politik-Magazin“ – das, immer wieder verschoben, dann doch nicht kam.

Statt dessen startete man vor einem Monat „confetti“. Eine Facette, an der es arte bisher gleichfalls mangelte: unsere Alltagskultur, Menschen „zum Anfassen“. Das selbst verordnete Leichtgewicht, eigentlich pfiffig gedacht, aber deutlich mit Kinderkrankheiten behaftet, soll Quoten bringen. Zu diesem Zweck hatte man eigens Alex Taylor, den Briten unter Frankreichs Fernsehstars, eingekauft. Der müht sich nun mit Partnerin Anette Gerlach allabendlich, arbeitsmüde Kulturkanal-Fans in diversen Sprachen in den Feierabend zu parlieren (taz vom 5.9.) Seine „confettis“ ordert Taylor genauso wie Thivolet seine Reportagen, wo immer sie sie finden (und eben nicht nur bei den arte-Müttern). Und, auch das ein Novum der neuen Profis: ihre Redaktionen, veritable arte-Abteilungen, produzieren nun auch selbst.

Draufsicht statt Schulterklopfen

Auch beider oberste Chefin, Sabine Rollberg (41), will neue Seiten aufziehen. Bislang für WDR und ARD in Paris, hatte sie am 1. September unversehens Peter Wien beerbt, nachdem dieser – wie vor ihm zwei Programmdirektoren und nun auch die Kommunikations-Chefin – präsidialer Geheimdiplomatie zum Opfer gefallen war. Rollberg kündigt für den 16. Oktober beispielsweise eine Wahlsondersendung um 19 Uhr an: „Draufsicht“, so das neue Prinzip, soll das Schulterklopfen“, die Nabelschau und den Zahlensalat aus der Hochrechnungs-Maschine ersetzen. Mit dabei: der Politologe Iring Fetscher, die Mitbegründerin des Neuen Forum, Bärbel Bohley, und die nach Frankreich emigrierte Ostberliner Sängerin Barbara Thalheim.

Ob die Frischzellen-Therapie dieses Herbstes tatsächlich Methode und ob sie vor allem aber Bestand hat, muß sich erweisen. Immerhin regt sich inzwischen diesseits des Rheins ein kleines Lüftchen, das zum Aufwind werden soll: Mitte Oktober spendieren die arte-Mütter ihrem Hätschelstiefkind erstmals so was wie richtige Publikumswerbung – in Massen- Programmblättern und City-Illustrierten. Die Kampagne soll arte endlich über Volkshochschulkreise hinaus bei den so begehrten jüngeren Menschen bekannt machen. Ulla Küspert

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