: PDS-Kapitalisten
■ Enttäuschte Kleinunternehmer gründeten parteinahen Unternehmensverband für Berlin und Brandenburg
Nun ziehen die Kapitalisten doch noch ins Berliner Karl-Liebknecht-Haus. Ab sofort haben sie in der PDS-Zentrale ein Büro, das offiziell als Geschäftsstelle des neuen Berlin-Brandenburger Unternehmensverbandes OWUS firmiert. Dieser steht zwar der PDS ausgesprochen nahe, doch gerade das wird einigen besonders arbeiterklassebewußten Parteimitgliedern am wenigsten behagen. Dies hat Helmuth Markow, der maßgebliche Antreiber zur am Wochenende in Straußberg erfolgten Gründung des „Offenen Wirtschaftsverbandes der klein- und mittelständischen Unternehmer, Freiberufler und Selbständigen in Berlin und Brandenburg e.V.“ jedoch nie gestört.
Viele PDSler haben keine Ahnung von Wirtschaft
Der brandenburgische PDS-Landeschef und Mitgeschäftsführer einer kleinen Elektronikfirma meint, in seiner Partei hätten die meisten nur keine Ahnung von der Wirtschaft und würden deshalb schnell einen Schreck bei den neuen Ideen kriegen. Dabei sind die Unterwanderungsängste sattelfester Ideologen in der PDS aus zwei Gründen ziemlich überflüssig. Zum einen gehörten zu den knapp hundert OWUS-Gründern weniger geldsatte Aufschwung- Ost-Gewinnler als vielmehr enttäuschte Kleinunternehmer – Spediteure, Versicherungsmakler, Geschäftsführer kleiner Baufirmen, bäuerliche Genossenschaftler. Sie alle eint vor allem ihr Problembündel aus mangelnder Eigenkapitalausstattung und fehlendem Durchblick bei Förderrichtlinien sowie das Gefühl, gegenüber der westdeutschen Konkurrenz benachteiligt zu werden. Zum Beispiel bei der Vergabe von Aufträgen.
Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung verdienen sich die Kleinunternehmer aber auch, weil sie relativ eindeutig ihre Sympathien für die PDS zugeben. Nicht wenige sind ohnehin Mitglied der Partei. Und auch die anderen von linker Gesinnung Geprägten hoffen auf ihrer „Suche nach einer politischen Heimat“, so ein OWUS- Mann, endlich fündig geworden zu sein.
Von Bonn erwarten sie keine Hilfe mehr
Von den Bonner Schönrednern erhoffen sie sich jedenfalls keine große Hilfe mehr. „Der Mittelstand wird als Rückgrat der Wirtschaft gelobt, aber gefördert werden doch bloß die Großen“, meinte ein frustrierter Selbständiger.
Zur Vorsitzenden eines vorläufigen Arbeitsvorstandes wurde, ganz im Sinne guter PR-Chancen, das prominenteste OWUS-Mitglied gewählt: die Berliner PDS- Bundestagsdirektkandidatin Christa Luft, unter Premier Modrow im Jahr 1990 DDR-Wirtschaftsministerin. Da sie in ihrem privaten Bildungsinstitut selbst gegen die „Chancengleichheit“ gegenüber ihren etablierten West-Konkurrenten kämpfen muß, glauben die OWUS-Leute, in ihr die richtige Helferin gefunden zu haben, wenn es beispielsweise um die Organisation von Kontaktbörsen, gemeinsamer Präsentationen oder Mitglieder-Infos über Fördermöglichkeiten und aktuelle Auftragsvergaben geht. Natürlich will OWUS auch seine „Anforderungen in die Politik“ einbringen, unter anderem auf die Schaffung übersichtlicherer Förderstrukturen im Lande hinwirken.
Westler bieten für Notfälle schon ihre Dienste an
Die paar in Straußberg anwesenden Westler boten trotzdem für kommende Notfälle schon mal ihre Dienste an. Ein Münchner Unternehmensberater offeriert unter anderem seine Hilfsangebote beim Krisenmanagement, und wem selbst das nicht mehr nützt, der kann sich an den Ausweg e.V., ein Verein pleite gegangener Unternehmer, wenden. Gunnar Laue
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