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„Spritze kann eine tödliche Waffe sein“

■ Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit bleibt hart: Keine Vergabe von sterilen Einwegspritzen in Haftanstalten

Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) lehnt es weiterhin ab, in Haftanstalten sterile Einwegspritzen auszugeben, mit denen sich die Ansteckungsgefahr mit dem HIV-Virus durch die gemeinsame Benutzung von Spritzen mindern ließe. Von diesem Kurs weicht sie auch nach einem einstimmigen Beschluß des Gesundheitsausschusses nicht ab, der dies befürwortet hatte.

„Die Gefährdung der Bediensteten ist ein Problem, das noch niemand gelöst hat“, erklärte sie gestern gegenüber der taz. Eine mit Blut gefüllte Spritze könne möglicherweise eine tödliche Waffe sein. „Ich muß abwägen zwischen der Verantwortung für 3.000 Bedienstete und 4.000 Gefangenen. Das ist ein unlösbarer Konflikt“, so die Senatorin. Ärzte hätten zudem darauf hingewiesen, daß mit der Vergabe von Spritzen für Nichtdrogenabhängige die Hemmschwelle sinke, Drogen zu nehmen. Bislang wirke das needle- sharing wegen der Infektionsrisiken abschreckend.

Peschel-Gutzeit verwies darauf, daß seit gestern in einem Teil der Haftanstalt Tegel an die Gefangenen eine Hausapotheke ausgegeben wird, die auch ein Desinfektionsmittel enthält. In einem mehrsprachigen Merkblatt werde darauf hingewiesen, daß eine Desinfektion allerdings keinen sicheren Schutz vor einer HIV-Infektion biete. Am sichersten sei es, keine Drogen zu spritzen.

Auch ein Pilotprojekt zur Erprobung der Spritzenvergabe, lehnte die Senatorin ab: „Wir sind noch nicht soweit.“ Sie verwies darauf, daß seit wenigen Wochen in einer Schweizer Haftanstalt die Vergabe von Einwegspritzen an 30 Frauen erprobt werde. Das europaweit erste Pilotprojekt und die wissenschaftliche Begleitung kosten eine halbe Million Schweizer Franken. Es wäre „heller Wahn“, so die Senatorin, parallel in Berlin das gleiche durchzuführen. „Wir werden in absehbarer Zeit Ergebnisse haben.“ Sie erklärte weiter, daß ab Januar das Methadon- Programm von derzeit 45 auf 90 Plätze verdoppelt werden kann.

Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) erklärte gestern, daß er eine Vergabe von Spritzen im Strafvollzug „eindeutig abgelehnt“ habe. Dem widersprach der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grünen, Bernd Köppl. Luther habe im Gesundheitsausschuß öffentlich gesagt, daß er persönlich für die Vergabe sei.

Offenbar kann Luther sich damit im Senat nicht durchsetzen. Die Pressestelle des Gesundheitssenators verbreitete gestern, daß auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gegen die Vergabe von Einwegspritzen im Knast sei. Dorothee Winden

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