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„Anderer Umgang“

Keine „Freiheit“ für „Mitteldeutsche Zeitung“: „MZ“-Verleger Neven DuMont impft seine Redaktion gegen Magdeburger Regierung und PDS  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg (taz) – Einen Tag vor der Landtagssitzung in der vergangenen Woche mußte die Redaktion der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung die Flucht nach vorn antreten. Die PDS-Fraktion im Magdeburger Landtag hatte für die Plenarsitzung eine aktuelle Debatte unter dem Titel „Pressefreiheit“ beantragt – ohne zunächst allerdings genau deren Inhalte bekanntzugeben. Aber einen Tag vor der Sitzung ließ der PDS-Landesvorsitzende Roland Claus die Katze aus dem Sack und präsentierte der Magdeburger Journaille zwei interne Gesprächsprotokolle aus der Hallenser Redaktion, mit denen Ressortleitern und Redakteuren Leitlinien zum Umgang mit der rot-grünen Minderheitsregierung und insbesondere der PDS ausgegeben wurden.

Das Blatt wollte der Debatte offenbar die Spitze nehmen und veröffentlichte die beiden Protokolle selbst. Zumindest suggerierte die MZ ihren Lesern so, daß sie die Papiere, die Roland Claus zugespielt wurden, nun genausogut kennen wie der PDS-Vorsitzende. Besonders brisant allerdings scheint eines der Protokolle, in denen der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont die Redakteure seiner Hallenser Tochter einschwört. Und gerade bei der Veröffentlichung dieses Diskussionsvermerks fehlen wesentliche Passagen.

So erfahren die Leser der MZ beispielsweise kein Wort von Neven DuMonts Ansicht, daß „zur PDS (...) ein anderer Umgang angezeigt (ist) als gegenüber den demokratischen Parteien einschließlich der Grünen, die ihre Demokratiefähigkeit nachgewiesen haben“. Die SED-Nachfolgepartei, so heißt es in dem Papier weiter, verfolge andere Gesellschaftsziele, auch wenn sie sich in der Einübung der demokratischen Parteien- und Parlamentspraxis nicht ungeschickt verhalte. Deshalb, so ließ Neven DuMont seine Redakteure wissen, „könne das Magdeburger Minderheitsmodell aus SPD und Grüne/Bündnis 90 mit der verdeckten oder offenen Duldung durch die PDS und deren einhergehender Aufwertung nicht sein Verständnis finden“.

Richtig großzügig wird Neven DuMont seinen Mitarbeitern gegenüber, als er ihnen zugesteht, daß es nicht zu zensieren sei, wenn jemand familiäre oder sonstige private Kontakte zur PDS habe. Wichtig aber sei, „daß persönliche Präferenzen nicht die berufliche Tätigkeit beeinflussen“. Offenbar gilt das aber nur im Zusammenhang mit Berichten und Kommentaren zur PDS, im Zusammenhang mit anderen Parteien ist davon in dem Papier keine Rede.

Den MZ-Chefredakteur Stefan Lehnebach hatte der Kölner Verleger zum Zeitpunkt der Diskussion schon auf Linie getrimmt. Für Lehnebach ist dem Protokoll zufolge „die PDS – vor allem ihrer kommunistischen Plattform wegen – keine demokratische Partei und kann insofern auch kein demokratischer Partner sein“. Auch die Minderheitsregierung in Magdeburg hält Lehnebach für „ein mit Sicherheit schädliches Experiment“ und ein „gefährliches Spiel mit dem Feuer“. Worte, die eigentlich Balsam sein müßten für das Herz des kommunistenfressenden Verlegers Neven DuMont. Insbesondere weil Lehnebach damit ein ganzes Stück seiner eigenen Geschichte schlichtweg geleugnet hat. Denn als die Mitteldeutsche Zeitung noch Freiheit hieß und das Verlautbarungsblatt der SED im Bezirk Halle war, fand Lehnebach als stellvertretender Chefredakteur die DDR-Einheitspartei lange nicht so schlimm wie heute ihre Nachfolger.

Dennoch ging Neven DuMont Lehnebachs Bekenntnis gegen Rot-Grün und PDS offensichtlich nicht weit genug. Lehnebach steht zwar im Impressum der MZ immer noch als Chefredakteur, sitzt aber längst nicht mehr auf dem dazugehörenden Stuhl. Bis die Verlagsspitze eine andere Verwendung für ihn gefunden hat, wurde er erst einmal in den Urlaub geschickt. Im Mitteldeutschen Druck- und Verlagshaus kursieren Gerüchte, nach denen Lehnebach mit einem Geschäftsführerposten abgefunden werden soll, von dem aus er keinerlei Zugriff mehr auf die redaktionelle Linie hat.

Zum endgültigen Stolperstein wurde für Lehnebach ein Interview mit dem in Halle erscheindenden Stadtmagazin Dust, in dem der Ex-Chefredakteur freimütig zugab, daß Neven DuMont alle vier bis acht Wochen im Verlagshaus in Halle einfliegt und Unterredungen mit der Chefredaktion und Vier-Augen-Gespräche mit dem Chefredakteur führt. Geübten „Zwischen den Zeilen“-Lesern war damit klargemacht, wie stark der Kölner Verleger seiner Redaktion in Halle richtungsmäßig ins Handwerk pfuscht.

„Mit Pressefreiheit hat das nicht viel zu tun“, findet der PDS-Landesvorsitzende Roland Claus, der im übrigen den beiden Gesprächsprotokollen „lupenreines SED- Deutsch“ attestiert. Wenigstens ein Lichtblick für den PDS-Landeschef. Denn als Mitglied der SED-Bezirksleitung in Halle hatte Claus vor der Wende mehr Einfluß als jetzt auf die Sprache des Blattes. Damals, als es noch Freiheit hieß und alle Welt wußte, wie unfrei Redakteure sein können. Nichtsdestotrotz hat gerade die Veröffentlichung der internen MZ-Papiere bei den Abgeordnetenden der rot-grünen Minderheitskoalition und der PDS erneut die Diskussion um die innere Pressefreiheit entfacht. Und natürlich beim Ex-Regierungschef und CDU-Oppositionsführer Christoph Bergner die grimmige Annahme, daß damit die PDS erst recht einen Angriff auf die Pressefreiheit startet, weil sie „versucht, eine überparteiliche Zeitung mit parlamentarischen Anklagen einzuschüchtern“.

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