■ Das Portrait
: Wilhelm v. Boddien

Muß das eine Genugtuung für den Plastikschloßherrn Wilhelm von Boddien gewesen sein: im Juli bezeichnete die Süddeutsche ihn in einer Überschrift doch glatt als „Berliner Architekten“. Freudsche Fehlleistung: der Mann, der Berlin die Stadtschloß-Attrappe verpaßte, als Architekten-Attrappe. Boddien (52), der moderne Architektur verachtet, ist eins ganz gewiß nicht: Architekt. In Wahrheit verkauft er Mähdrescher – und zwar in Bargteheide/Holstein. Der Mittelständler im hanseatisch-blauen Blazer mit Goldknöpfen hat es nun vom Trecker auf einen Hauptstadt-Chefsessel gebracht. Kaum war den Berlinern mit dem Plastikschloß die offene Wunde Olympia geschlossen, da kam Boddien auch schon als oberster Marketing-Chef des „Standorts“ Der LuftschloßbauerFoto: Thomas Raupach/argus

Berlin ins Gespräch. Und wurde es auch. Jetzt soll er als Geschäftsführer der „Hauptstadt-Marketing GmbH“, die u.a. von Daimler-Benz, Siemens, Kaufhof und dem Senat getragen wird, Imagekampagnen starten und Großereignisse wie die Einheitsfete unterstützen.

Wie konnte es zu dieser Karriere kommen? Boddien spricht von einem „fast schon beängstigenden Vertrauenskredit“, der ihm in Berlin entgegengebracht werde. Kein Wunder: Die Möchtegernhauptstadt und ihre mittelmäßige Politkaste haben einen ungeheuren Bedarf an Rettern, die von außen kommen. Und hat Boddien nicht – im Gegensatz zu den Olympia-Pleitiers Grüttke und Nawrocki – wenigstens die Erfolgsattrappe Stadtschloß zu bieten? Wenn ein Dauerlächler wie Boddien (Selbstbezeichnung: „Verrückter Hund“) behauptet, in die Stadt „verknallt“ zu sein – das geht runter wie Öl. Seine größte Stärke ist das Mobilisieren von Frontstadt-Mythen. Gern betont Boddien, daß er als junger Mann Zeuge des Mauerbaus gewesen sei und dies ihn bewogen habe, „für Berlin zu kämpfen“. Die Berliner sollten in ihrem „deutschen Schmelztiegel“ endlich wieder „Herz mit Schnauze“ zeigen. Während „alte Berliner Trümmerfrauen“ Boddien öffentlich zu Tränen rühren, werden Stadtschloßgegner als „Stinkstiefel“ und „Besserwisser“ abqualifiziert.

Auch die erste von ihm verantwortete Werbekampagne bietet bloß Abgestandenes: Taxifahrer, Amateurboxer, Bauarbeiter und Hebammen bekennen sich auf Postern rudelweise zur Hauptstadt – und sondern dabei Boddiens Lieblingsmotto ab: „Nicht Reden, sondern Machen“. Hans-Hermann Kotte