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Ein Kriegsherr wird zum Alliierten

Bosnien-Kontaktgruppe bestimmt ihr Verhältnis zu Serbiens Präsident / Zwischen beiden bestehe nun eine taktische Interessenallianz / Flughafen in Sarajevo wiedereröffnet  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der japanische UN-Sonderbeauftragte konnte zufrieden sein. Ohne Bedingungen, so verkündete Yasushi Akashi am Donnerstag morgen, seien die bosnischen Serben bereit gewesen, den Flughafen von Sarajevo wieder zu öffnen. Fast zwei Wochen, seit der Nato- Bombardierung eines serbischen Panzers, war er geschlossen gewesen, nun sollten bereits am ersten Tag der Inbetriebnahme sechs Maschinen mit den für die Stadt lebenswichtigen Hilfsgütern landen. Entgegenkommend zeigten sich die bosnischen Serben noch in einem zweiten Punkt: In der Nacht zum Donnerstag kam es zum größten Gefangenenaustausch seit sieben Monaten. 129 Serben und 166 Muslime wechselten die Seiten.

Doch auch in der internationalen Kontaktgruppe für Bosnien herrscht Zufriedenheit. „Zwischen uns und Milošević besteht nun eine taktische Interessenallianz.“ So prägnant formulierte einer ihrer Mitarbeiter das neue Verhältnis zum starken Mann in Belgrad. Die Regierungen in Washington, Moskau, London, Paris und Bonn verbinde mit ihm „das gemeinsame Anliegen, die bosnischen Serben zu isolieren“ – so wollen sie diese zur Unterzeichnung des Teilungsplans der Kontaktgruppe bringen. Läßt sich der bosnische Serbenführer Karadžić nicht zwingen, soll er innerhalb von drei Monaten entmachtet werden. Dies habe Milošević beim letzten Treffen mit der Kontaktgruppe Ende September in Belgrad zugesagt.

Diplomaten aus den fünf Kontaktgruppen-Staaten sind überzeugt von der Entschlossenheit des serbischen Präsidenten, bei der Entmachtung Karadžićs notfalls „alle Mittel anzuwenden“. Ein Diplomat wörtlich: „Ich möchte derzeit nicht der Gegner von Milošević sein, und wenn ich Karadžić wäre, würde ich mich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen.“ Für möglich gehalten wird, daß sich der militärische Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, General Mladić, schon bald mit Milošević gegen Karadžić verbündet. Kontaktgruppen-Mitglieder verweisen – wie auch der UNO- Vermittler Stoltenberg am Mittwoch vor Genfer Journalisten – darauf, daß sich Mladić bis heute öffentlich nicht zu dem Teilungsplan geäußert hat.

Dennoch ist der Kontaktgruppe klar, daß für Milošević der Machtkampf gegen Karadžić vor allem „innenpolitisch motiviert“ ist. Seine großserbischen Ambitionen habe Belgrad deswegen nicht aufgegeben. Die Kontaktgruppe müsse „aufpassen, daß am Ende unsere Strategie aufgeht und nicht die von Milošević“. Fraglich ist allerdings, wie lange es eine gemeinsame Strategie der Kontaktgruppe noch geben wird. Denn während die vier westlichen Staaten warnen, „Milošević jetzt nicht zu schnell zu weit entgegenzukommen“, unterstützt Moskau Belgrads Forderung, nach der Lockerung einiger Embargomaßnahmen zügig weitere Sanktionen aufzuheben. Theoretisch möglich ist dies nach dem Wortlaut der Sicherheitsrats-Resolution nach Ablauf von 100 Tagen und auch nur dann, wenn die Beobachtergruppe an der serbisch-bosnischen Grenze bis dahin keine Verletzung der Embargomaßnahmen feststellt, die Belgrad gegen die bosnischen Serben verhängt hat.

Die westlichen Kontaktgruppen-Staaten machen die Aufhebung weiterer Sanktionen allerdings derzeit noch von weiteren Konzessionen Belgrads abhängig, insbesondere von der Anerkennung Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens. Belgrad wäre zumindest zur Anerkennung Bosnien- Herzegowinas bereit – unter der Bedingung, daß die bosnischen Serben eine Konföderation mit Serbien eingehen können. Das hat die Kontaktgruppe Milošević im Prinzip bereits zugesagt. Umstritten ist allerdings ein wesentliches Detail: Die USA unterstützen die Forderung der Regierung in Sarajevo, daß eine Konföderation erst nach erfolgter Anerkennung Bosniens durch Belgrad im Detail verhandelt und vereinbart wird.

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