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Cardosolo und Foul am Spies

Keine Solidarität unter Linken: Volker Finkes SC Freiburg gewinnt bei Ewald Lienens MSV Duisburg glücksbeladen mit 2:1  ■ Aus Duisburg Bernd Müllender

Nehmen wir Abschied vom Wort Spieltag aus dem Vokabelschatz des Fußballfans. Denn der Tag ist zu zwei, zu drei, jetzt schon zu vier Tagen geworden. Wir wissen: Gott Quote will es so. Erstmals fanden, was einst nur Schnee und Regen schafften, ganze vier Begegnungen am Spieltag, dem Samstag, statt. Weniger als die Hälfte also. Und erstmals zwei am Sonntagabend. Was soll man jetzt zu diesem Kulturfrevel sagen: „8. Spieltage“ oder „8. Spielwoche“ oder „MiFrSaSo-Spieltag“ mit eingesprenkeltem Nachhol-Do-Zwischenspieletagespiel?

Ein Viertel des Spieletage- Hauptspieltages wurde in Duisburg aufgeführt. Auf zum letzten Gefecht für den Ligalinken Ewald Lienen, den glück- und erfolglosen Coach des MSV? Der Gast SC Freiburg, so heißt es gern, sei eine spielstarke, offensiv orientierte Mannschaft. Davon war nichts zu sehen. Anfangs „die schlechteste Saisonleistung“ (Trainer Finke), dann flog, kurz vor der Pause, Andreas Zeyer vom Platz nach übler Blutschere gegen den zusätzlich theatralisch hechtenden Osthoff. Fortan blieb den Freiburgern nur noch Abwehrkampf.

Lange stand es nullnull. Duisburg fightete, selten ansehnlich, aber leidenschaftlich und verbissen, um den ersten Saisonsieg. Ohne Erfolg: Zu viele Offensivleute beim MSV, murrte einer, die stehen sich ja nur gegenseitig auf den Füßen. Quatsch, man muß mehr wagen, sagt der Tribünennachbar. Kaum reagierte Lienen und wechselte Fünft-Stürmer Krohm für Defensivneuling Lopez ein, folgten die beiden spielentscheidenden Konter: Erst ein formidables Cardosolo mit raumtiefem Paß auf den Torschützen Spies, dann Strafraumfoul am Spies und cooles Cardosotor per Elfmeter. Endstand schließlich, nach Közles später Kosmetik, 1:2.

In Köln hatte es zur gleichen Zeit das gleiche Ergebnis gegen Dynamo Dresden gegeben. Die Fans geiferten „Olsen raus“ und riefen, als wäre schon Karneval, allen Ernstes lauthals nach Christoph Daum. Manager Cullmann wischte Volkes Murren beiseite: Das passiere bei Mißerfolg überall. Überall? Nein: Beim MSV brüllte trotz deprimierender 2:14 Punkte niemand „Lienen raus“. Keine Pfiffe, keine Randale. Nur Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Entsetzen. Keine Erklärungen, keine Schuldzuweisungen. Nirgends ein Ventil. Vor allem keine einfachen Lösungen. Gar keine Lösungen.

Was auch soll ein Trainer machen, wenn nach 15:2 Ecken und etwa 15:2 teilweise großartigster Chancen das Ergebnis am Ende 1:2 lautet? Weil Freiburgs Torwart Jörg Schmadtke, in dieser Zeitung schon vor acht Jahren bei seiner Düsseldorfer Ligapremiere als „Linienpfiffikus“ geadelt, seine Finger- und Zehenspitzen immer an den rechten Ort schnellen ließ. Ewald Lienen, den Streß der Saison schon tief in jeden seiner Gesichtszüge eingegraben, hielt sich diesmal immerhin mit Torwart- Schmähungen, Schiedsrichter-Beleidigungen und Rumpelstilzchentänzen an der Seitenlinie zurück. Er sprach nur von einem „negativen Lauf“, stellte leicht fußball- freudianisch fest, man habe „viele Torchancen erzielt“ und sagte dann nur noch: „Da kann man weiter absolut nichts mehr zu sagen.“

Am letzten Spieltag der Vorsaison rettete sich Fastabsteiger Freiburg in Duisburg gegen einen reichlich wehrlosen MSV. Jetzt, dachte man, könnte Freiburgs Trainer Volker Finke seinem erfolglosen Gesinnungsfreund Lienen doch beistehen. Aber es gab nur kleine Gesten: Ein wenig Mitleid hinterher, sekundiert vom Bedauern eines von schlechtem Gewissen geplagten Jens Todt („Die armen Duisburger haben so richtig die Seuche.“) und einer politischen Geste in der heißen Phase des Wahlkampfes: Finke ließ den Spieler Kohl, den sie „Kanzler“ nennen, zunächst auf der Ersatzbank. Aber zu verschenken hatten die „Breisgau-Piraten“ (Stadionzeitung) nichts. Im Fußball gibt es, wie im richtigen Leben bisweilen auch, keine Solidarität unter den Linken.

Statt dessen steht Ewald Lienen bei den englischen Buchmachern, wo man neuerdings auf die erste Trainerentlassung setzen kann, ganz oben. Pokern eigentlich Vereinsfürsten? Es wäre die Chance: Montag morgen könnte MSV-Präsident Dieter Fischdick die zwei Millionen in London setzen, die er gerade nach dem anscheinend beendeten Poker um Emmanuel Amunike eingestrichen hat, mittags wäre Ewald Lienen zu entlassen, abends hätte er als Wettgewinn die fünf Millionen beisammen, die er eigentlich für Amunike wollte, kauft den Nigerianer dann gleich zurück und stellt Ewald Lienen wieder ein. Daß da noch keiner drauf gekommen ist. Sollte Lienen demnächst doch entlassen werden, kennen wir die Hintergründe.

SC Freiburg: Schmadtke - Vogel - Spanring, Sundermann - Zeyer, Cardoso (90. Freund), Buric, Todt, Heinrich - Wassmer (46. Kohl), Spies

Zuschauer: 16.000; Tore: 0:1 Spies (63.), 0:2 Cardoso (73./Foulelfmeter), 1:2 Közle (79.)

rote Karte: Zeyer (43.) wegen groben Foulspiels

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