: Der Preußen-Adler ist gelandet
Statt des europäischen Hochadels erschien nur die dritte Durchlauchten-Garnitur zur Totenfeier für Hohenzollern-Chef Louis Ferdinand, den Enkel des letzen deutschen Kaisers ■ Aus Berlin Michaela Schießl
Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Enkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II, hatte wirklich Pech im Leben. An seinem elften Geburtstag endete die Monarchie, was ihm die Karriere als König und Kaiser verdarb. Graf Stauffenbergs Widerstandsgruppe gegen Hitler, der er angehörte, scheiterte. Seine Ehefrau Kira starb mit 58 Jahren, und auch Tochter Xenia verschied jung an Asthma. Dann heirateten seine zwei ältesten ungehorsamen Söhne nicht standesgemäß und mußten aus dem Rennen um die Führung des Herrschergeschlechts Hohenzollern genommen werden. Der dritte Sohn Louis Ferdinand junior wurde 1977 mit 32 Jahren während eines Bundeswehrmanövers vom Panzer überfahren. Und nun mußte die am 25. September im Alter von 86 Jahren verblichene Kaiserliche und Königliche Hoheit auch noch mit dem just verstorbenen und ungleich populären Hauptmann von Köpenick, Heinz Rühmann, um die Schlagzeilen in der Yellow Press konkurrieren.
Nie hatte Louis Ferdinand die Hoffnung ganz aufgegeben, doch noch einmal den Thron zu besteigen. „Wenn die Deutschen mich rufen, stehe ich bereit.“ Doch keiner rief den musikalischen Mann, der zurückgezogen auf seinem Landgut Wümmehof bei Bremen lebte. Selbst sein Abgang blieb eigentümlich einsam. Der europäische Hochadel war angekündigt, um am Sonnabend den letzten ambitionierten Thronanwärter mit Preußens Glanz und Gloria zu betrauern. Doch was sich im Berliner Dom einfand, war dritte Blaublut- Garnitur. Mit Ausnahme von Schwedens Königin Silvia füllten nur einheimische Adlige die Ränge in der frisch renovierten Hauskirche der Hohenzollern, in deren Keller über 100 Särge von Hohenzollern schlummern.
Sogar Otto von Habsburg kniff kurzfristig. Fürst Ferdinand von Bismarck erschien allein und entschuldigte seine Frau: Sie hätten, zu dumm, selber Gäste.
Vollzählig erschienen die Hohenzollern. Die Frauen im schwarzen Kostüm mit Pillboxhütchen und Schleier, die Männer im Cutaway, einer längst vergessen geglaubten Herrenschoßrock ein Grad unterhalb des Fracks. Sie wurden von Tagesschausprecher Wilhelm Wieben und Rudolf Prinz zu Lippe – ob seiner langhaarigen 68er-Zeit der „rote Rolf“ genannt – an ihre Plätze geführt.
Hand in Hand zogen die Nachfahren in den mit 1.400 Menschen vollen Dom ein. Die Kinder hatten rotgeweinte Augen, die Eltern zusammengebissene Zähne. Nicht allein aus Trauer, glaubt man der Royalties-Presse. Das „Goldene Blatt“ berichtet bereits vom Beißkrampf der Erben und zitiert den ältesten Sohn des Toten, Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen: „Wir werden es nicht hinnehmen, daß der 18jährige Enkel Georg Friedrich das Gesamtvermögen bekommt und zukünftiger Chef des Hauses werden soll. Rechtsanwälte und Gerichte haben jetzt das Wort.“ Herzogin Margarethe zu Mecklenburg (62), eine geborene Hohenzollern, sieht den Preußenadler schwer gerupft: „Die Kinder greifen nach dem Vermögen. Zumal kürzlich 50 Millionen Mark für verlorengegangene Besitztümer in Pommern von der Regierung flossen.“
Auch die Bundesregierung hat zwei Wochen vor der Wahl Berührungsängste mit den Monarchisten. Helmut Kohl, der sich zu gerne als Historiker geriert, traute sich nicht in deren Nähe. Mutterseelenallein und auf den letzten Drücker jagte Frau Hannelore ganz ohne ihre Buben das Kirchenportal entlang und drückte sich zu Klaus Wedemeier, dem Bundesratspräsidenten und Bremer Bürgermeister. Kanzleramtsminister Bohl war erschienen, Berlins Bügermeister Eberhard Diepgen und Brandenburgs SPD-Fürst Manfred Stolpe bildeten die Polit-Prominenz. Kein Rudolf Herzog, kein Richard von Weizsäcker. „Ein Skandal“, findet Kultursoziologe Nicolaus Sombart. „Ich bin kein Monarchist. Aber hier geht eine Ära zu Ende, das hätte eines Staatsbegräbnisses bedurft.“
Die Hohenzollern indes sind sich ihrer schwindenden Bedeutung bewußt. Statt eines pompösen Banketts luden sie ins Festungsgrabenpalais zur Kartoffelsuppe und Butterkuchen. Die Stimmung war gelöst, wie nach einer Jagd, berichtete ein Geladener. Die Nachfahren fischten die Würstel aus der Suppe und nestelten bereits wieder am Funktelefon, während Louis Ferdinand posthum ein letztes Mal Kaiser spielte: Auf dem Weg zum Krematorium Ruhleben wurde sein Sarg durchs Brandenburger Tor gefahren. Durchs Mittelportal, das einst nur für Kaisers reserviert war. Als Urne kehrt er dann zurück zu seiner Frau Kira, ins Mausoleum der Hohenzollern-Burg Hechingen.
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