: Risikofähren nehmen Castor-Behälter an Bord
■ Abgebrannte Brennelemente aus dem AKW Gundremmingen auf dem Weg nach Sellafield: Die Kanalfähre fuhr früher auch schon mal mit offener Bugklappe los
Gundremmingen/Hamburg (taz) – Es muß nicht immer eine Reise nach Gorleben sein. Manchmal tut dem Castor auch Seefahrt not – auf Fähren, die gebaut sind wie das Unglückschiff „Estonia“. Gestern haben zwei Atomtransporte das Atomkraftwerk Gundremmingen verlassen, beladen mit abgebrannten Kernbrennstäben. Das Ziel ist die britische Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield. Amtomkraftgegner haben versucht, die Abfahrt zu verhindern. Es ist ihnen nicht gelungen. Die Fracht wird in Dünkirchen auf eine Fähre verladen, die keine Querschotten, dafür bewegliche Bug- und Heckklappen besitzt. Größere Lecks bringen solche Schiffe in Minuten zum Kentern. Davon aber wollen die Betreiber des Atomkraftwerks nichts gehört haben. Die abgebrannten Brennelemente werden vertragsgemäß nach Großbritannien geliefert. Zuständig für den Transport sei „eine Agentur in Hanau“, sagt der Sprecher des Kraftwerks.
Es handelt sich um die Nuclear Transport Limited (NTL). Gestern war nur der stellvertretende Geschäftsführer zu sprechen. Er hat einen Prospekt des Schiffes auf dem Schreibtisch liegen. Darauf sei zu sehen, daß die Fähre „von hinten“ beladen werde. Daß sie dann wohl auch eine Bugklappe besitzt, die sich – gewollt oder ungewollt – öffnen könnte, glaubt er nicht. Weitere Nachforschungen scheinen ihm unmöglich, da das Schiff von der französischen Staatsbahn SNCF betrieben werde. Wörtlich: „Ein so großer Staatsbetrieb gibt über solche kleinen Details wohl kaum Auskunft.“
Muß er gar nicht. Roland Hipp, Atomfachmann bei Greenpeace, kennt das Schiff seit langem, das regelmäßig hochradioaktive Stoffe aus Deutschland neben anderem Wirtschaftsgut und zahlenden Passagieren über den Kanal fährt. Es heißt „Nord-pas-de-Calais“ und ist eine ganz normale Roll-on-roll- off-Fähre. Nicht nur Greenpeace, auch die IMO, die Internationle Organisation für Schiffahrt der UNO, warnt seit Jahren vor der Gefahr dieser Umschlagtechnik. Für das Bonner Umweltministerium, das die deutschen Atomtransporte genehmigt hat, scheint sie aber nur vorteilhaft zu sein. Das Ein- und Ausfahren der Castor- Waggons in den Schiffsrumpf erspare nämlich gefährliche Kranmanöver im Hafen.
Nur nehmen Reederei und Hafenbehörden die Vorschriften auch in Dünkirchen nicht allzu ernst. Greenpeace hat die „Nord- pas-de-Calais“ mehrmals zu blockieren versucht. Dabei sind Dokumente entstanden: „Wir haben diese Fähre gefilmt, wie sie mit offener Heckklappe den Hafen verlassen hat“, sagt Hipp. Klaus Wittmann
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