: Das Leben wegretuschiert
■ Fritz Haase, Bremer Fotografie-Professor, über die miserable Gestaltung der Wahlplakate: „Angst vor der Leere“
Was die Posen der Politiker bedeuten, und warum ihre Porträts oft so peinvoll wirken: Fritz Haase, Professor für Fotografie an der Bremer Kunsthochschule und selbst wahlkampferfahrener Plakatgestalter, erklärte es der taz im Interview.
taz:Warum muß sich ein Bremer Politiker seinen Wählern vor einem bayerisch weiß-blauen Himmel präsentieren – so macht es ja Volker Kröning auf den Wahlkampfbroschüren; die normalen Plakate hingegen zeigen ihn vor schlichtem grauen Hintergrund.
Fritz Haase: Ich finde, man braucht den Himmel nicht. Der ist ja, wie mir Kröning selbst erzählte, nachträglich einmontiert worden. Das Bild entstand auf einem Bonner Balkon, und am Tag der Aufnahme war der Himmel eben grau. ich finde, damit hätte man eigentlich gut leben können. Der blaue Hintergrund wirkt ein bißchen heftig montiert. Man merkt, daß das nicht ganz stimmt. Das hätte man sensibler machen können. Ich glaube aber nicht, daß das symbolisch gemeint war oder eine tiefere Absicht hinter dieser Montage steckt. Es ist einfach so, daß die Leute immer Angst vor der Leere haben.
Konrad Kunick, Krönings SPD-Kollege aus dem Bremer Westen, stellt sich ja ganz anders dar. Der ist in eine Art Straßensituation gestellt worden, scheinbar in ein Gespräch vertieft...
Da fiel mir natürlich auf, daß er die Dame gar nicht anguckt, sondern sein Wählerpublikum. Das finde ich eigentlich ein bißchen unhöflich. Dann wäre es besser, man würde jemanden wirklich live im Gespräch erleben. Ich weiß natürlich aus eigener Erfahrung, daß man als Fotograf nur sehr kurz Zeit hat, um solche Bilder zu machen. Politiker haben meistens überhaupt keine Zeit für sowas. Das ist ein schwerer Fehler, den sie da begehen. Denn diese Bilder sind das einzige, womit sie nach außen optisch auftreten. Solche Sachen müßten viel sorgfältiger gemacht werden, und sie müßten viel frischer gemacht werden. Aber diese ganze Wahlkampf wird eben nur von Angst bestimmt. Da werden die Bilder totretuschiert, da wird oft noch das letzte bißchen Leben rausgenommen. Die SPD hat da ein paar Montagen gemacht, wo ich schon ziemliche Bauchschmerzen kriege: der Techniker und die Frau und im Hintergrund noch die Brücke, alles von unten aufgenommen. Genial fand ich da das Helmut-Kohl-Plakat, wo er in der Menge badet – eine totale Live-Situation. Mehr Reportage-Charakter täte diesen Bildern gut.
Kommt es dabei nicht auch auf die Körpersprache der Politiker an?
Also, ein guter Fotograf muß sich sehr mit Körpersprache auskennen. Seine Qualität ist ja nicht nur, daß man gutes Licht setzen kann oder die Technik der Kameraführung beherrscht. Man muß herausfinden, was eigentlich die Person ausmacht. Das zu erkennen, ist die Qualität eines guten Fotografen. Die Leute aus der Reserve zu locken, die Seiten herauszuholen, die ihre Persönlichkeit ausmachen.
Und das sehen Sie in diesem Wahlkampf nicht?
Die Scharping-Plakate, die hier rumhängen, sehen doch wirklich schrecklich aus. Den haben sie überhaupt nicht richtig zu fassen gekriegt.
Er wirkt sehr verkrampft.
Ja; und dazu diese gestellte Lässigkeit. Das Motiv ging ja quer durch die Parteien in diesem Wahlkampf: die lässig über den Daumen gehängte Jacke. Das soll die Hemdsärmeligkeit der Politiker zeigen; man ist volksnah, man zieht das Jackett aus, man ist nah dran. Vielleicht liegt's auch nur daran, daß der Sommer sehr heiß war.
Was halten Sie dann von Requisiten wie der Schiffermütze, die Herr Kunick in der Hand hält?
Ja, das fand ich ja nun sehr merkwürdig. Ich hab' immer gedacht: Was hat er da eigentlich in der Hand? Also, dieses Kunick-Foto wirkt wirklich sehr verkrampft.
Ist die Wahlwerbung immer so schlecht gewesen?
Ich glaube, das ist kontinuierlich schlecht. Es gibt schon ein paar Höhepunkte, über die man sich freut. Meistens haben die kleinen Parteien mehr Drive in ihren Sachen. Gerade bei der PDS gab es da ein paar sehr intelligente Lösungen, besonders typografisch, oft sind die sehr doppeldeutig. Also, ein Fotograf kann schon sehr viel bewegen, und da sollte man als Politiker immer sehen, daß man die besten Leute kriegt. Es gibt doch eine ganze Reihe von phantastischen Porträtfotografen in Deutschland und auch im Ausland. Mich würde mal interessierten, wie jemand wie Helmut Newton unsere Politker zeigen würde. Fragen: Ulrike Fokken
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