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Auf dem Weg zur vollautomatisierten Baustelle

■ Wie einst bei den Chips: Mit dem Turm will Japan eine Technik revolutionieren

Einst brachte die Tokioter Regierung die großen Elektronikkonzerne zusammen, um mit einem technologischen Quantensprung die Weltmarktführerschaft im Halbleiterbereich zu übernehmen. Und genau so plant die Regierung jetzt: Die Bauriesen Kajima, Shimizu, Obayashi und drei weitere Firmen sollen unter ihrer Anleitung gemeinsam die vollautomatisierte Baustelle des 21. Jahrhunderts erfinden.

Um dabei die Phantasie der Planer zu stimulieren und dem Volk die Zustimmung zur Verwendung von Steuergeldern abzutrotzen, scheint die Idee vom höchsten Haus der Welt in Tokio bestens geeignet. Die Bürokraten im Tokioter Bauministerium glauben, hiermit erneut ein Projekt an der Hand zu haben, das ihnen industriepolitischen Ruhm bescheren könnte. Zuletzt scheiterte das Tokioter Wirtschaftsministerium MITI bei der Lancierung einer neuen fünften Computergeneration kläglich an der schnellen Diversifizierung der Software-Entwicklung.

In der Bauindustrie geht es dagegen nicht um geniale Programmierereinfälle, die kollektiv nicht zu organisieren sind. Statt dessen bedarf es vor allem neuer Werkstoffe und Produktionstechnologien – Gebiete, auf denen japanische Firmen aufgrund ihrer Effizienz und Synergiefähigkeiten traditionell stark sind. Und niemand glaubt heute mehr, daß es einem der großen Unternehmen allein gelingen kann, die neuen, im Forschungsstadium bereits erprobten Bautechnologien schnell zur Anwendung zu bringen.

„Ähnlich wie die Automobilindustrie kann die japanische Bauwirtschaft schon bald in der Lage sein, aufgrund ihrer technologischen und organisatorischen Vorsprünge den internationalen Wettbewerb im Bauwesen zu dominieren“, resümiert Helmut Laumer vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung.

Damit diese Voraussage auch Wirklichkeit wird, hat das Tokioter Bauministerium bereits Ende August eine Forschungsgruppe „Super-Bau“ eingerichtet, an der sich alle führenden Bauunternehmen des Landes beteiligen. Die Gruppe hat bereits zwölf Sektionen mit Aufgabenfeldern wie Baumaterialien, Roboter, Energieversorgung, Abfallrecycling und Erdbebensicherheit eingerichtet, die jeweils in ihren Bereich noch nicht vorhandene Zukunftstechnologien ausmachen sollen, und dann beim Bau des Wolkenkratzers zum Einsatz kämen. Würde das höchste Haus der Welt fürs 21. Jahrhundert tatsächlich auf diese Art und Weise entstehen, entspräche das zumindest der bevorzugten asiatischen Vorgehensweise: nicht im Alleingang auf Privatinitiative, sondern kollektiv mit der Regierung im Rücken als Beispiel für eine quasi planwirtschaftliche Industriepolitik.

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