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„Das Drumherum sind theatralische Affekte“

■ Der israelische Historiker Moshe Zimmermann zur Rechts-links-Kampagne der CDU

Moshe Zimmermann ist Professor am Richard-Koebner-Institut für Deutsche Geschichte der Universität Jerusalem. Zusammen mit 15 ausländischen KollegInnen nimmt er an einer vom DAAD organisierten Wahlkampfbeobachtungstour teil. Kurzinterviews mit diesen Beobachtern veröffentlichen wir noch bis morgen auf dieser Seite.

taz: Die Parole des Sozialdemokraten Kurt Schumacher von den „rotlackierten Faschisten“ mag Helmut Kohl besonders gerne. Links gleich rechts, PDS gleich „Republikaner“?

Moshe Zimmermann: Ich als Historiker kann nur sagen, daß diese Gleichsetzung besonders gefährlich ist, weil sie den Nationalsozialismus relativiert und auch den heutigen Neonazismus verharmlost. Das Paktieren mit Neonazis ist moralisch viel schwerwiegender als ein Pakt mit der PDS.

Kohl ist auch Historiker.

Dies ist ein Instrument im Kampf gegen die gemäßigten Linken. So hat man die Sozialdemokraten unter Druck gesetzt. Und diese Rechnung ist aufgegangen.

Alle reden im Moment nur von der PDS und glauben, die Gefahr der „Republikaner“ sei gebannt.

Bei uns in Israel ist man sehr erfreut, daß sie es wahrscheinlich nicht ins Parlament schaffen werden. Wenn rechtsextreme Parteien ihre Wählerschaft verlieren, heißt das aber nicht, daß ihre Ideologie abgewirtschaftet ist, sondern, daß die Leute sich für ein realpolitisches Wählen entschieden haben. Ich glaube andererseits aber auch nicht, daß das rechtsextreme Potential hier in Deutschland eine große Zukunft hat. Nicht mehr als in den Nachbarländern. Weil man wachsam ist, was ich immer als positiv bewerte.

Dann ist also alles in Ordnung hier? Keine Krise?

Das System in Deutschland ist besonders stabil. Wenn man berücksichtigt, daß hier eine Revolution stattgefunden hat! Das ist doch ein Beleg, daß Bonn nicht Weimar ist. Man kann eher darüber traurig sein, daß Bonn nicht mehr Bonn ist, sondern nach Berlin auswandern muß.

Wie geht die Bundestagswahl am Sonntag aus?

Nach meinen Beobachtungen ist die CDU-Regierung gesichert. Ich vermute sogar, daß sie besser abschneidet. Alles Drum und Dran sind nur theatralische Affekte, das Spiel mit der PDS, das Jonglieren mit dem Ausscheiden der FDP, selbst das Gerede von der großen Koalition. Das ist nur ein Gag, um die ganze Sache ein wenig unterhaltsamer zu machen.

Angelo Bolaffi aus Ihrer Gruppe vertröstete uns auf 1998, aber Sie klingen nach dem nächsten Jahrtausend!

Irgendwann kommt sicher auch die Zeit des Regierungswechsels. Manchmal dauert es eben länger ... Interview: Andrea Seibel

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